Das OLG Stuttgart wollte mit einer Beugehaft Aussagen im Mordfall Buback erzwingen. Erkrankung Eckes' sei “lebensbedrohend“, so das BGH.

Karlsruhe/Stuttgart. Die frühere RAF-Terroristin Christa Eckes muss nicht in Beugehaft. Die Anordnung des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG) gegen die schwer erkrankte Eckes wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe aufgehoben. Der BGH verwies in seinem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss darauf, da die Erkrankung der Ex-Terroristin „lebensbedrohend“ sei, verstoße die Anordnung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein Vollzug der Beugehaft könne sie in Lebensgefahr bringen.

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Das OLG Stuttgart hatte mit der Beugehaft eine Aussage von Eckes als Zeugin im Prozess gegen die frühere RAF-Terroristin Verena Becker um das Buback-Attentat von 1977 erzwingen wollen. Becker ist wegen ihrer möglichen Beteiligung am Mordanschlag auf den Generalbundesanwalt angeklagt. Bei einer Vernehmung durch einen Richter im Krankenhaus hatte Eckes die Aussage verweigert. Der BGH betonte jedoch, dass auch in terroristischen Mordfällen der Grundsatz gelte, dass „die Wahrheit nicht um jeden Preis“ erforscht werden dürfe. Hier drohe im Falle einer Beugehaft eine „hohe Gefährdung des Lebens einer schwer erkrankten Zeugin“. Die Behandlung von Eckes in einer spezialisierten Krankenhausabteilung mit Intensivstation sei erforderlich. Unter diesen Umständen müsse das Interesse an der möglichst vollständigen Aufklärung der Tat zurücktreten. Die Beschwerde von Eckes' Anwalt hatte damit Erfolg. Sie soll an Leukämie erkrankt sein.

Der Generalbundesanwalt wirft der Angeklagten zudem vor, an der Ermordung von Bubacks Begleitern am 7. April 1977 beteiligt gewesen zu sein. In dem Prozess sollte Eckes zum Inhalt von Gesprächen mit Becker im Jahr 2008 aussagen. Eckes hatte dies jedoch mit der Begründung abgelehnt, ihr stehe ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, weil sie sich durch ihre Antworten möglicherweise selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würde. Das OLG Stuttgart hatte ein solches Recht nicht anerkannt und gegen Eckes Beugehaft bis zu sechs Monaten angeordnet. Diesen OLG-Beschluss vom 1. Dezember 2011 hob der Bundesgerichtshof jetzt auf, wobei er offen ließ, ob Eckes ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht. Am 15. Dezember 2011 hatte das OLG Stuttgart von sich aus entschieden, die Vollziehung der Beugehaft gegen Eckes „auszusetzen“. Grund war ein damals eingereichtes ärztliches Attest. Das OLG hat im Prozess gegen Becker zahlreiche ehemalige RAF-Kämpfer als Zeugen vernommen, darunter Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar. Die meisten beriefen sich jedoch auf ihr Recht zur Auskunftsverweigerung. Dieses Recht hatte der BGH in mehreren Entscheidungen bestätigt.

Der 3. Strafsenat des BGH rügte das OLG Stuttgart deutlich: Die gerichtliche Fürsorgepflicht gegenüber der Zeugin gebiete es sogar, „bereits von der Anordnung der Beugehaft abzusehen“. Diese bewirke hier einen schweren Eingriff in die Rechte der Zeugin auf Freiheit sowie auf Leben und körperliche Unversehrtheit. „Auch deren Schutz ist dem Staat aufgegeben“, betonte der 3. Strafsenat. Der Zweck des Strafverfahrens würde verfehlt, „wenn es den Strafverfolgungsorganen gestattet wäre, unbegrenzt in andere Individual- oder Gemeinschaftsrechtsgüter einzugreifen“.

Mit Material von dpa/dapd