Für die Staatsanwaltschaft ist ein Anfangsverdacht der Untreue oder Vorteilsannahme im Zusammenhang mit dem Hauskredit nicht ersichtlich.

Stuttgart. Schlussendlich gibt es dann doch eine gute Nachricht für den angeschlagenen Bundespräsidenten: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft teilte am Mittwoch mir, sie werde kein Ermitlungsverfahren gegen Christian Wulff und die BW-Bank wegen des umstrittenen Hauskredits einleiten. Ein Anfangsverdacht der Untreue oder Vorteilsannahme beziehungsweise Vorteilsgewährung sei nicht ersichtlich, so die Behörde. Wegen des Kredits hatte es etwa ein Dutzend Anzeigen gegen die BW-Bank gegeben. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident Wulff hatte den Kredit zu ungewöhnlich günstigen Konditionen bekommen. Derweil werden neue Vorwürfe gegen Wulff und seine Ehefrau Bettina laut. Der niedersächsische SPD-Spitzenkandidat Weil fordert unterdessen Richtlinien für die Kontaktpflege zwischen Politik und Wirtschaft, die von einer unabhängigen Kommission erarbeitet werden sollen.

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Keine der eingegangenen Anzeigen über die umstrittene Darlehensvergabe der BW-Bank zur Finanzierung von Wulffs Einfamilienhauses habe sich als stichhaltig erwiesen. Die Behörde erklärte, dass sich „weder aus dem Vorbringen der Anzeigeerstatter noch aus den bisherigen Presseveröffentlichungen und den durch die Bank vorgelegten Unterlagen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat ergeben“. Für Untreue müsse eine gravierende und evidente Pflichtverletzung des Vorstands oder der Mitarbeiter des Kreditinstituts vorliegen, beispielsweise bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers. Wulff habe seine wirtschaftlichen Verhältnisse jedoch offengelegt, zudem sei ein vor Abschluss des Kreditvertrages ein Wertgutachten über die Immobilien eingeholt worden.

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Der Bank sei auch kein Vermögensschaden entstanden. Zu welchen Bedingungen ein Kreditinstitut ein Darlehen gewährt unterliege grundsätzlich nicht der Nachprüfung durch die Staatsanwaltschaft, teilte die Behörde weiter mit. Bei dem in mehreren Anzeigen erhobenen Vorwurf der Vorteilsgewährung oder Vorteilsannahme handele es sich „um bloße Vermutungen“. Anhaltspunkte für Unrechtsvereinbarung durch die Darlehensgewährung und der Tätigkeit von Wulff als Mitglied des Aufsichtsrates von VW lägen nicht vor. Wulff hatte nach Medienberichten im Dezember 2011 einen Kredit, mit dem er als niedersächsischer Ministerpräsident ein privates Darlehen der Unternehmergattin Edith Geerkens ablöste, von der zur Landesbank LBBW gehörenden BW-Bank zu ungewöhnlich günstigen Zinsen von 0,9 bis 2,1 Prozent erhalten. Gegen die Bank und den CDU-Politiker Wulff gingen daher insgesamt 19 Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein.

Unterdessen wurden neue Vorwürfe über Sonderkonditionen von befreundeten Geschäftsleuten laut, die von Wulffs Anwälten umgehend dementiert wurden. Es geht um ein Auto für seine Frau Bettina und ein Geschenk für den gemeinsamen Sohn. Nach einem Bericht der „Berliner Zeitung“ soll die Frau des Bundespräsidenten Ende Dezember – also nach dem Bekanntwerden der Kreditaffäre – für einen Audi Q 3 von einem Berliner Autohaus „einen VIP-Vertrag mit sehr günstigen Leasing-Konditionen“ bekommen haben. Wulffs Anwalt Gernot Lehr bestreitet dies. Es habe keinen „Prominentenrabatt“ gegeben.

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung hat der Bundespräsident einen geplanten Besuch auf dem Weltwirtschaftsforum Ende Januar in Davos abgesagt. Das Präsidialamt habe dafür terminliche Gründe angeführt. Laut „Bild“ wollte Wulff am Eröffnungstag des hochkarätig besetzten Treffens unter anderem mit Spitzenvertretern deutscher Industrieunternehmen zusammentreffen.

Weil fordert Richtlinen einer unabhängigen Kommission

Für die Kontaktpflege zwischen Politik und Wirtschaft sollte es nach den Vorstellungen des niedersächsischen SPD-Spitzenkandidaten Stephan Weil künftig von einer unabhängigen Kommission erarbeitete Richtlinien geben. Derzeit herrsche durch die Affäre um Bundespräsident Christian Wulff bei vielen Politikern eine große Verunsicherung über das korrekte Verhalten, sagte er vor Journalisten in Hannover. Ein Gremium aus ehemaligen Politikern und Unternehmern, Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen wie etwa Transparency International sowie Medienvertretern sollte daher „Leitplanken“ erarbeiten.

Weil sagte, dass eine gewisse „Klimapflege“ bei Wirtschaftsvertretern zur Politik dazu gehöre. Es gebe aber „keinen Zweifel, dass Wulff dabei in diversen Fällen über rote Ampeln gefahren ist“, etwa bei seinen kostenlosen Urlauben bei Freunden. Eine Kommission könne hier die Grenzen genauer definieren, als das bisher der Fall gewesen sei. „Das kann nicht verbindlich sein, aber schafft Sicherheit“, sagte Weil. Wünschenswert wäre eine solche Kommission auf Bundesebene. „Aber auch der niedersächsische Landtag könnte mit gutem Beispiel voran gehen“, sagte er.

Die Debatte über den Bundespräsidenten bezeichnete Weil als „ausgesprochen quälend“, da die Vertrauenswürdigkeit aller Politiker beschädigt werde. Nun müsse geklärt werden, ob nur Wulff in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident zu enge Kontakte zur Wirtschaft gepflegt habe, oder ob dies auch bei seinem Nachfolger David McAllister (CDU) aktuell geblieben sei. „Vor allem der Club 2013 ist da klärungsbedürftig“, sagte Weil und forderte McAllister auf, offiziell dessen Auflösung zu erklären. Bei dem Club handelt es sich um einen Unterstützerkreis der CDU von Unternehmern und Privatleuten, bei dessen Veranstaltungen Mitglieder der Landesregierung auftraten und Spenden generiert wurden. Nur mit der Auflösung des Clubs könne der Eindruck ausgeräumt werden, dass dessen Mitglieder einen besonderen Zugang zu der Landesregierung genießen, sagte Weil.

Mit Material von rtr/dapd