Alkohol und Sex? Der Vatikan spricht von Spekulationen, doch in Kirchenkreisen ist man nicht überrascht. Mixa will weiterhin kämpfen.

Berlin. Ein Mann demontiert sich selbst. Der Mann heißt Walter Johannes Mixa , und er will nicht einsehen, dass es vorbei ist. Der ehemalige Bischof von Augsburg plant nach wie vor, im Juli nach Rom zu reisen, um sich über die Amtsbrüder zu beschweren, die ihn dort angeblich angeschwärzt haben. Mixa ist beseelt von der Hoffnung, demnächst wieder als Seelsorger arbeiten zu dürfen. In der Kurie spricht man konsterniert von "Realitätsverlust".

Offiziell schweigt der Vatikan allerdings zum "Geheimdossier Mixa", aus dem gestern erneut Details an die Öffentlichkeit kamen. Offiziell will Rom nicht einmal bestätigen, dass eine solche Akte überhaupt existiert. "Der Papst hat natürlich seine Entscheidung zum Rücktritt Walter Mixas auf der Basis von Informationen getroffen. Woher er diese bekommen hat, ist jedoch zweitrangig", erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi. "Es ist klar, dass die Presse spekuliert, aber wir wollen zu diesen Spekulationen nicht auch noch beitragen."

Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, hat die "Akte Mixa" Papst Benedikt XVI. bei der Entscheidung über das Rücktrittsgesuch des umstrittenen Bischofs vorgelegen. Das Dossier umfasse "mehrere Dutzend Seiten", und es sei dem päpstlichen Nuntius am 27. April in Berlin übergeben worden, berichtete die Zeitung. Die Akte enthalte Zeugenaussagen auch engster Mitarbeiter und Bekannter. So gebe es Mitarbeiter, die Mixa "als schwer alkoholkranken Mann" beschrieben, als "Spiegeltrinker", der seinen Alkoholpegel über den Tag hinweg halten müsse.

Am brisantesten aber sei die Wiedergabe eines Dialogs des Bischofs mit einem jungen Mann während eines gemeinsamen Urlaubs. Der Bischof habe zu ihm gesagt: "Bleib hier, ich brauche deine Liebe." Der junge Mann habe entgegnet: "Ich bin doch nicht schwul!" Daraufhin habe Mixa geantwortet: "Ich doch auch nicht" - und der junge Mann erwidert: "Und was war gestern Abend?"

Laut Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" soll Mixa zudem Stiftungsgelder zweckentfremdet haben, die für die Waisenkinder von Schrobenhausen bestimmt gewesen seien. Diese Gelder hätte er an eine in Rom lebende Person gesandt, die in einem Milieu verkehrte, mit dem man ihn nicht in Verbindung bringen sollte.

Mixas Rechtsanwalt Gerhard Decker sagte nach Bekanntwerden dieser neuen Vorwürfe im Bayerischen Rundfunk, dass Teile der Presse Zugang zum Archiv des Vatikans hätten, halte er für eher unwahrscheinlich: "Wir hatten schon mal die Erfahrung gemacht, mit diesem Missbrauchsverdacht, der dann eingestellt worden ist, dass hier völlig nebulöse Quellen zitiert werden, die sich dann hinterher als Luftblase herausgestellt haben. Das war schon bei der Missbrauchsanzeige gegen meinen Mandanten so, die zur eindeutigen Verfahrenseinstellung führte: Einer beruft sich auf den anderen, und am Schluss war alles ein Missverständnis." Er und sein Mandant wollten jetzt einmal "konkret" wissen, "wer behauptet was, über welches Ereignis, das sich wann ereignet hat", meinte Decker. Dann werde man konkret Stellung nehmen.

Roms Botschafter in Berlin, Erzbischof Jean-Claude Périsset, gab sich zugeknöpft. "Wir haben nichts zu sagen, es ist uns nicht erlaubt, mit Journalisten zu reden", erklärte der päpstliche Nuntius. Dagegen meinte Ulrich Ruh, der Chefredakteur der renommierten theologischen Fachzeitschrift "Herder Korrespondenz", in Kirchenkreisen sei man nicht überrascht. Die gegen Mixa erhobenen Vorwürfe des Alkoholmissbrauchs und der Homosexualität würden dort "schon seit vielen Jahren" kursieren.

Papst Benedikt XVI. hatte das am 21. April eingereichte Rücktrittsgesuch des Augsburger Bischofs am 8. Mai angenommen. In der vergangenen Woche war Mixa nach langem Schweigen überraschend in die Offensive gegangen. In einem Interview mit der "Welt" hatte er sich über den Druck beklagt, dem er ausgesetzt gewesen sei, als man ihn quasi gezwungen habe, "die vorgefertigte Resignation" zu unterschreiben. Dieser Druck sei ihm "wie ein Fegefeuer" vorgekommen. Mixa hatte dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, und dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx einen Mangel an Brüderlichkeit vorgeworfen.

Zollitsch hat daraufhin erklärt, er bedauere zwar, dass Mixa in seiner Kritik so persönlich geworden sei, aber er sei trotzdem bereit, ihm die Hand reichen. Schließlich seien Versöhnung und Aussöhnung die ureigensten Aufgaben eines Seelsorgers.

Während der Augsburger Diözesanratsvorsitzende Helmut Mangold Mixa gestern aufforderte, sich aus der Öffentlichkeit zurück- oder aber aus dem Bistum wegzuziehen, rief der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Albert Schmid, die Beteiligten auf, erst einmal innezuhalten. "Dies gilt sowohl für Repräsentanten des Laienapostolats als auch für Sprecher von Bistumsleitungen oder diese selbst", sagte Schmid. Die Causa Mixa sei öffentlich eskaliert und drohe, die Kirche als Ganze nachhaltig zu beschädigen. Schmid wird wissen, dass sich die Akte Mixa so nicht schließen lässt.