Die blinde Sportlerin nimmt eine Cousine mit, damit sie den richtigen Kandidaten ankreuzt. Die SPD Baden-Württemberg hat sie nominiert.

Stuttgart. Sie war der Star der Winter-Paralympics im kanadischen Vancouver und darf jetzt als erste Blinde aus Baden-Württemberg den Bundespräsidenten mitwählen: die Biathletin Verena Bentele (28) aus Tettnang am Bodensee. Für die Skilangläuferin stellte sich nun die praktische Frage, wie sie ihren Wahlzettel in der Kabine ankreuzt. Aber auch diese Frage ist unbürokratisch gelöst worden. Bentele darf eine Person ihres Vertrauens mitbringen. „Ich nehme meine Cousine mit“, verriet die Studentin in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Sonderschullehrerin aus der Nähe von Tuttlingen habe sie schon häufiger bei Reisen begleitet.

Die fünffache Goldmedaillengewinnerin von Vancouver reist am 30. Juni für die baden-württembergische SPD zur Bundesversammlung nach Berlin. Wen sie wählen wird, steht für sie bereits fest, auch wenn sie kein Parteibuch hat. „Ich wähle auf jeden Fall Herrn Gauck.“

Was für den ehemaligen Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck spreche, sei die Tatsache, dass er der überparteiliche Kandidat sei. „Er ist niemand aus der parteipolitischen Welt und hat etwas zu sagen“, meinte Bentele. Die SPD habe sie aber nicht gezwungen, Gauck statt den schwarz-gelben Kandidaten Christian Wulff zu wählen. „Ich bin nicht eingenordet worden.“

Dass die Ausnahmesportlerin den Bundespräsidenten mitküren kann, hat sie dem SPD-Bundestagsabgeordneten Martin Gerster aus Biberach zu verdanken. Das Mitglied im Sportausschuss kennt Bentele schon länger und hatte sie bei einem Empfang der Medaillengewinner in Berlin bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang Juni angesprochen. „Das ist etwas ganz Besonderes“, weiß Bentele. Politisch ordnet sich die Studentin der Neueren Deutschen Literatur eher links ein. „Ich bin rot-grün gesprenkelt“, erzählt die 28-Jährige, die auf einem Biobauernhof am Bodensee aufwuchs. Nicht zuletzt deswegen sind ihr vor allem die Themen Ökologie, Nachhaltigkeit und Bildung wichtig.

Vom neuen Bundespräsidenten wünscht sie sich vor allem eines:„Er soll moralische Führung und Halt in der Krise geben.“ Darüber hinaus soll er wie sein Vorgänger Horst Köhler nah bei den Menschen sein.

Die Spitzensportlerin selbst hat keine politischen Ambitionen. Stattdessen will die Studentin später als Personaltrainerin arbeiten oder in die Öffentlichkeitsarbeit gehen. Nun will sie aber erst einmal ihre Magisterarbeit zu Ende bringen. Thema:„Gestaltung von Büchern als Hörbuchfassung und Hörbücher als wissenschaftliche Arbeitsgrundlage für Blinde.“ Seit 2003 studiert sie in München und musste wegen ihrer Liebe zum Sport immer wieder unterbrechen.

„Ich habe fast immer nur im Sommer studiert.“ Vor der Bundesversammlung wird sie ihre Arbeit wohl nicht mehr abschließen können. „Ich bin auf Seite 13, aber 80 bis 100 Seiten sollen es werden.“