Ex-SPD-Minister Clement und der einstige CDU-Finanzexperte Merz haben gemeinsam ein Buch geschrieben. Was sie eint? Der Revanchegedanke.

Berlin. Die Mischung macht's, möchte man sagen. Ausgerechnet Friedrich Merz und Wolfgang Clement haben sich zusammengetan, um der Politik die Leviten zu lesen. Zwei ehrgeizige Männer, die sich von ihren Parteien außerordentlich unverstanden fühlen. Der einstige CDU-Finanzexperte Merz strich die Segel, weil es ihm nicht gelang, Angela Merkel auszubooten, Genosse Clement musste vor zwei Jahren erleben, dass ihn die SPD sogar formal loswerden wollte. Woraufhin er freiwillig aus der Partei austrat und verkündete, fortan werde er ein "Sozialdemokrat ohne Parteibuch" sein.

Aber während der inzwischen 69-jährige Clement anschließend wenigstens die Größe hatte, "persönliche Verletzungen" einzugestehen, behauptet der 15 Jahre jüngere Merz bis heute steif und fest, er habe damals lediglich "die Konsequenz aus den fehlenden inhaltlichen Festlegungen meiner Partei gezogen". Wer's glaubt, wird selig.

Dass die beiden Verstoßenen rhetorisch begabt sind, ist dank ihrer Parlamentsauftritte hinlänglich bekannt. Dass sie schon früher Bücher geschrieben haben, wissen zumindest diejenigen, die mal versucht haben, sich durch trockene Titel wie "Im Prinzip sozial" (Clement), "Mut zur Zukunft" (Merz), "Klartext" (Clement) oder "Wachstumsmotor Gesundheit" (Merz) durchzukämpfen.

Nun gibt es ein erstes Clement-Merz'sches Gemeinschaftswerk. Es erlebte gestern in Berlin seine Buchpremiere, heißt "Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0", ist 200 Seiten dick und bei Herder erschienen.

Mit seiner Anleihe beim Web-Jargon suggeriert der Titel Modernität und Kompetenz. Rein äußerlich kommt er folglich wie ein Ratgeber für die Regierenden daher - "Die Zeit der Notoperationen ist vorbei", "Eine vernünftige Wachstumspolitik wird also nicht auf neue Schulden setzen" -, aber darauf wird in Berlin niemand hereinfallen. Denn natürlich geht es Wolfgang Clement und Friedrich Merz vor allem darum, mit ihren Parteien abzurechnen. Beziehungsweise mit deren Personal. Tenor: Die eine Volkspartei ist schon keine mehr, und die andere hat auch bald abgewirtschaftet!

Es ist der Revanchegedanke, der die beiden Männer aus Nordrhein-Westfalen eint. Den smart unterkühlten Merz und den knurrig-knorrigen Clement, die sich inzwischen beide mit den verschiedensten Aufsichtsratsposten trösten. Die beiden Juristen, die ihren Parteien nun rückblickend mitteilen, dass es wesentlich besser wäre, Regierungsämter auf zwei Legislaturperioden zu beschränken. Nach dem Motto, ein Parlament dürfe nicht zum "Durchlauferhitzer für Regierungskarrieren" verkommen. So einen Ratschlag hätte sich Wolfgang Clement, der von 1989 bis 2005 nonstop Minister beziehungsweise Ministerpräsident gewesen ist, früher vermutlich selbst energisch verbeten.

Wolfgang Clement und Friedrich Merz. Noch siezen sie sich. Und eine neue Partei wollen diese beiden Privat-Koalitionäre auch noch nicht gründen, obwohl zumindest Clement mit dieser Idee schon einmal geliebäugelt hat. Wo sie denn am 9. Mai bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen ihre Kreuze zu machen gedächten, wurden die beiden gestern gefragt. Friedrich Merz sagte, er empfehle, die CDU zu wählen. Wolfgang Clement konterte, das sei "tapfer". Woraufhin Friedrich Merz lächelnd meinte: "Da haben Sie recht."