CDU und FDP gehen in Steuerfragen wieder auf Distanz. Nun klagen die Liberalen auch in Nordrhein-Westfalen über ihren Koalitionspartner.

Hamburg. Das liberale Gemüt wirkt gereizt in diesen Tagen. In den Umfragen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen dümpelt die FDP zwischen sechs und sieben Prozent - und damit weit entfernt vom Wahlziel "zehn Prozent plus X", das Parteichef Guido Westerwelle erst am Wochenende ausgegeben hatte. Dann distanzierte sich auch noch Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) von den Liberalen. Und nun muss die Partei auf Bundesebene mal wieder um ihre Steuerpläne kämpfen, diesmal nicht nur gegen Stimmen aus der Union, sondern auch gegen die Äußerungen einiger Steuerschätzer.

Aus dem Expertenkreis, der Anfang Mai eine offizielle Einnahmenprognose für die Bundesregierung abgeben wird, hieß es bereits hinter vorgehaltener Hand, dass sich die Hoffnungen der schwarz-gelben Koalition auf einen raschen und kräftigen Wiederanstieg der Steuereinnahmen kaum erfüllen werden. Die Steuerschätzung in gut zwei Wochen wird demzufolge keine Überraschung bringen - weder positiv noch negativ. "Große Änderungen gegenüber den bisherigen Prognosen wird es nicht geben", sagte ein Steuerschätzer der Nachrichtenagentur dpa. "Das Gerede der Politik, es müsse vor Reformen die Steuerschätzung abgewartet werden, ist großer Quatsch." Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, der Bund werde in diesem Jahr voraussichtlich mit Einnahmen von etwa 215 Milliarden Euro auskommen müssen. 2011 könnten es gut 220 Milliarden Euro sein. Das entspräche in etwa den Werten, die sich bei den beiden vorangegangenen Steuerschätzungen ergeben hatten. Es sind nicht die rosigen Zahlen, die die FDP erhofft hatte. Und nachdem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Bezahlbarkeit des neuesten FDP-Steuerkonzepts mit fünf Stufen in Zweifel gezogen hatte, scheint der 16 Milliarden teure Kompromissvorschlag der Liberalen quasi abgelehnt.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner blieb gestern gar nichts anderes übrig, als sich stur zu stellen: Die Rahmenbedingungen des Haushalts seien allen klar gewesen und hätten sich seitdem nicht verändert, sagte er. "Jeder wusste, das umzusetzen, setzt Courage voraus. Und diese Courage und Standfestigkeit erwarten wir jetzt auch."

Lindner appellierte an Schäuble, in diesem Bereich den Koalitionsvertrag rasch mit Leben zu füllen. "Es muss sichergestellt sein, dass wir im Jahr 2011 noch mögliche Steuervereinfachungen beschließen können." So schnell will die CDU aber keine Entscheidungen treffen. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sagte dem ZDF: "Wir haben jetzt hinreichend Zeit, über einen Zeitraum von fast zwei Jahren genau zu überlegen, wie diese Steuerreform aussieht."

Die Stimmung zwischen CDU und FDP ist in Nordrhein-Westfalen derzeit kaum besser als in der Bundesregierung: In Wahlkampfzeiten ist jede Partei sich offenbar selbst die nächste - ganz gleich, ob man miteinander regiert. Die Liberalen in NRW haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass Rüttgers bei seinen Auftritten routiniert wiederholt, dass er nicht für zehn Prozent der Wähler, sondern für das gesamte Land Politik machen wolle. Diese Abgrenzung haben sie stillschweigend erduldet. Jetzt aber ist dem Juniorpartner des Regierungschefs der Kragen geplatzt. Die FDP ist erzürnt über Rüttgers, weil er am Wochenende auf deutliche Distanz zu den Liberalen gegangen war. So hatte er dem bisherigen Motto der Landesregierung "Privat vor Staat" eine Absage erteilt und vor neoliberalen Plänen gewarnt.

Der Chef der FDP-Landtagsfraktion, Gerhard Papke, sprach in der "Rheinischen Post" von einer "bemerkenswerten Distanzierung" des Regierungschefs. Er hoffe nicht, dass mit Rüttgers' Bemerkungen eine "weitere Annäherung der CDU an die Grünen verbunden ist. Es gibt genügend sozialdemokratische Parteien."