Berlin. Die Sperrung des Luftraums über (fast) ganz Europa kostet die Fluggesellschaften eine Menge Geld. In ein bis zwei Wochen könnten sogar einige der etwa 100 bis 150 europäischen Airlines pleite sein, warnte der Branchenverband AEA. Analysten beziffern die täglichen Einbußen allein bei der Lufthansa auf 20 bis 25 Millionen Euro. Die Lufthansa-Aktie brach gestern um fünf Prozent ein. Entsprechend nervös sind die Chefs der großen Fluggesellschaften.

Geradezu rasend wurde Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber. Er hat die kompletten Flugverbote wegen der Vulkanasche und die Sorge um die Sicherheit der Passagiere als unbegründet zurückgewiesen. Viele Fluggesellschaften hätten nun Testflüge absolviert, sagte Mayrhuber dem ZDF. Bei der Überprüfung der Aschewolke seien sie zu dem Ergebnis gekommen, "dass die Durchmischung mittlerweile so groß ist, dass hier keine Gefahr besteht".

Auf die Frage, ob in Europa der Flugbetrieb derzeit möglich sei, sagte Mayrhuber: "Ja, das sagen wir ganz klar", auch wenn es vielleicht "Eingrenzungen" geben könne. "Wir würden niemals etwas aufs Spiel setzen", aber mit den vorliegenden Daten müsse gearbeitet werden, sagte der Lufthansa-Chef. Über die Erkenntnisse des Volcanic Ash Advisory Centre (VAAC) in London sagte der Lufthansa-Chef, diese nehme er nicht ernst. "Wenn in England ein Institut sitzt, das einen Vulkanausbruch aus Island mit mathematischen Modellen fortrechnet und dann uns erklärt, was in Deutschland in Hannover, in Hamburg, in Berlin zu welcher Stunde passiert, dann darf man das nicht mehr ernst nehmen", sagte er.

Auch Air-Berlin-Chef Joachim Hunold hatte zuvor kritisiert, dass sich die Luftraumsperrung allein auf die VAAC-Berechnungen stütze. Nach einem Testflug mit einem Airbus sagte er: "Ich bin kein meteorologischer Fachmann, aber ich hatte selten einen so ruhigen Flug und so gute Sicht."

Die Aussagen von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wies Mayrhuber scharf zurück. Er halte "es für ungeheuerlich, der Lufthansa oder den deutschen Airlines zu unterstellen, dass sie Umsatz vor Sicherheit stellen", sagte er. Die heutigen Sicherheitsstandards in der Luftfahrtindustrie seien "mitnichten durch Ministererlässe erreicht" worden, sondern durch die solide Arbeit dieser Industrie.

Ramsauer hatte gesagt: "Es wäre beinahe zynisch und mit mir politisch nicht machbar, Umsatzeinbrüche gegenzurechnen mit irgendeinem nicht vertretbaren Risiko für Leib und Leben von Passagieren." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich hinter ihren Minister. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte, die Kanzlerin wisse alle Vorgänge im deutschen Luftverkehr "bei Ramsauer in guten Händen".

Ramsauers Sprecher machte deutlich, dass die Probeflüge verschiedener Fluggesellschaften für das Ministerium nicht ausreichend seien, um den Luftraum freizugeben. Anhand dieser Einzelfälle sei es statistisch "derzeit nicht möglich, auf die Gesamtsituation zu schließen". Die Erkenntnisse der Fluggesellschaften gingen aber in die Bewertungen des Ministeriums ein.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier verlangte von der Bundesregierung die umgehende Einrichtung eines Krisenstabs für das Luftverkehrs-Chaos. Um das Problem in den Griff zu bekommen, müsse unter der Leitung von Ramsauer "jetzt endlich ein vernünftiges Krisenmanagement" aufgebaut werden, sagte Steinmeier "Spiegel Online".

Ein Sprecher Ramsauers wies auch diese Vorwürfe zurück. So habe bereits am Donnerstag vergangener Woche ein 24 Stunden am Tag besetzter Krisenstab bei der Deutschen Flugsicherung in Langen seine Arbeit aufgenommen. In dem Krisenstab arbeiteten u. a. Experten der Deutschen Flugsicherung, des Deutschen Wetterdienstes und auch Vertreter des Bundesverkehrsinisteriums mit.