Zugleich verteidigt die Kanzlerin den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr als notwendig im Kampf gegen den Terror.

Selsingen. Von einem mittelalterlichen Märtyrer hat St. Lamberti in Selsingen den Namen, Bürgerstolz hat dann dafür gesorgt, dass das Gotteshaus groß gebaut wurde im Jahr 1725. Gestern dann war St. Lamberti klein angesichts der Prominenz, aber vor allem wegen der drei Särge im Chorraum. Die Menschen mussten zusammenrücken, und einen demonstrativen Schulterschluss vollzog dann auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Den in Afghanistan gefallenen Soldaten, so die sichtlich angerührte Merkel, gebühre Hochachtung und Dank: "Ich verneige mich vor ihnen, Deutschland verneigt sich vor ihnen."

Dabei ist es angesichts von 39 Soldaten, die inzwischen in Afghanistan gestorben sind, beinahe schon Routine: Fulda, Bad Salzungen, Donaueschingen - allein im Jahr 2009 hat die Bundeswehr drei "zentrale Trauerfeiern" ausgerichtet. Aber jetzt war erstmals die Bundeskanzlerin dabei. Nur der schmale Mittelgang trennte die Angehörigen von den Verantwortlichen, die ihre Männer, Söhne, Väter und Freunde in den Krieg und damit letztlich in den Tod geschickt haben. Und kein Meter liegt am Ende zwischen der Kanzlerin und den mit der deutschen Fahne geschmückten Särgen, als diese von Soldaten langsam nach draußen getragen werden. Immer wieder ist Weinen zu hören, auch viele der jungen Soldaten und Soldatinnen auf den Emporen ringen um Fassung.

Begonnen hat die Trauerfeier als ökumenischer Trauergottesdienst, die Militärdekane erinnern ausdrücklich daran, dass die drei Soldaten am Karfreitag gestorben sind, als Christus sich für die Menschheit opferte. Der evangelische Militärdekan Armin Wenzel sagt, dass es bei dem Einsatz darum gehe, Menschen in Afghanistan zu helfen "nach unendlich vielen Jahren des Krieges, der Menschenverachtung und des Hasses". Und den Angehörigen gibt er mit auf den Weg der Trauer: "Der Tod hat nicht das letzte Wort im Leben." Genau da verirren sich einige Sonnenstrahlen durch die hohen Kirchenfenster ins Innere.

Vor der Kirche halten sie sich die Hand über die Augen, Hunderte von Bürgern und noch einmal so viele Soldaten, um das Geschehen drinnen weiter auf dem Großbildschirm verfolgen zu können. Trotz der vielen Menschen liegt Stille über dem Platz.

Nach dem Gottesdienst ist jetzt der Staat an der Reihe, und erstmals muss Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach einem halben Jahr im Amt im Angesicht von Särgen den Afghanistaneinsatz rechtfertigen. Er nennt die Toten Hauptfeldwebel Nils Bruns (35), den Stabsgefreiten Robert Hartert (25) und den Hauptgefreiten Martin Augustyniak (29) beim Namen, und er spricht auch wieder aus, dass es hier um einen Krieg geht. Den Angehörigen versichert er: "Mit ihnen trauert ein Land, nicht verschämt und nicht im Verborgenen, sondern gottlob offen." Seine kleine Tochter habe ihn gefragt, ob die drei Toten Helden gewesen seien und ob sie stolz sein könne auf diese Männer: "Ich habe beide Fragen nicht politisch, sondern einfach mit Ja beantwortet."

Die Kanzlerin ist aus dem Urlaub nach Selsingen gekommen, auch unter dem Druck entsprechender Forderungen quer durch alle Parteien. Sie hat die Angehörigen vor dem Gottesdienst getroffen, jetzt räumt sie öffentlich ein, auch sie habe schon "menschliche Zweifel gehabt" an der Notwendigkeit des Einsatzes. Letztlich aber diene der Einsatz "der Sicherheit unseres Landes".

Und dann hören sie in der Kirche Marschtritt, es kommen die Soldaten des Wachbataillons herein, schultern die Särge, draußen warten die Leichenwagen, der Trompeter: "Ich hatt' einen Kameraden." Die Soldaten der Luftlandebrigade stehen Spalier. Das Motto dieser Brigade: "Einsatzbereit - jederzeit - weltweit".