Der Präses der rheinischen Kirche plädiert für mehr Kreuze in staatlichen Gebäuden - und bekräftigt Margot Käßmanns Afghanistan-Kritik.

Düsseldorf. Der amtierende Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche Nikolaus Schneider beklagt einen Mangel an christlichen Werten in der Politik. „Die Politik hat in manchen Bereichen ihre christliche Prägung verloren“, sagte Schneider dem Hamburger Abendblat. Der Präses sagte weiter: „Ich fürchte zum Beispiel, dass die Bundesrepublik als Sozialstaat nicht mehr gewünscht und nicht mehr gefördert wird.“

Schneider kritisierte in diesem Zusammenhang die Aussagen von FDP-Chef Guido Westerwelle, der den Bezug von Hartz IV mit spätrömischer Dekadenz in Verbindung gebracht hatte. „Das ist für meine Begriffe nur schwer mit einem christlichen Wertekodex zusammenbringen“, so Schneider. „Ich möchte kein Urteil über den FDP-Chef fällen, lieber möchte ich mit Herrn Westerwelle persönlich über den Sozialstaat diskutieren“, ergänzte der Präses der rheinischen Kirche.

Der EKD-Chef forderte zugleich höhere Hartz-IV-Sätze. Eine Steigerung der Sätze sei „nötig, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder“, sagte Schneider. Er berief sich dabei auch auf Einschätzungen innerhalb seiner Kirche. „Unsere Experten der Diakonie sagen: Die Hartz-IV-Sätze müssen steigen, aber nicht exorbitant. Die Kosten werden uns also nicht um die Ohren fliegen“, so der Präses.

Das Interview mit Nikolaus Schneider im Wortlaut

Für seine zurückgetretene Vorgängerin Margot Käßmann hat der EKD-Präses eine berufliche Zukunft an einer Universität ins Gespräch gebracht. Er könne sich vorstellen, „dass sie ihre Erfahrungen in der universitären Lehre umsetzen wird“, sagte Schneider.

Rein theoretisch sei auch eine normale Pastorenstelle für Käßmann möglich, „aber realistisch ist das nicht“, so der Präses der rheinischen Kirche. Schneider sagte: „Ich glaube, sie wird eine Position anstreben, in der sie weiter in den ihr wichtigen Themen arbeiten kann: Ökumene, Menschenrechtsfragen und Entwicklungspolitik.“ Der EKD-Chef betonte: „Ich bin sicher, ihre Stimme wird weiterhin zu hören sein.“ Gerade das Osterfest zeige, dass Gott trotz aller menschlichen Schuld Neuanfänge ermöglichte. „Einen solchen Neuanfang wird es auch für Margot Käßmann geben“, so der Präses.

Margot Käßmann war Ende Februar nach einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens von ihren Ämtern als Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche und als Landesbischöfin von Hannover zurückgetreten. Zu ihren weiteren beruflichen Plänen hatte sie sich seitdem nicht geäußert. Im Mai will Käßmann beim Ökumenischen Kirchentag in München ihre ersten Termine wieder wahrnehmen.

Präses Schneider sagte dazu, er habe damit „keine Probleme“, wenn er beim Kirchentag weniger Beachtung fände als Käßmann. „Nach allem, was passiert ist, ist es ganz natürlich, dass die Öffentlichkeit sehen will, wie Frau Käßmann in Erscheinung tritt“, so der EKD-Chef.

Schneider betonte, er sei „nicht nur Ersatz“ für Käßmann. „Ich bin jetzt Ratsvorsitzender, und als solcher fühle ich mich auch.“ Er habe sein eigenes Profil. Der Präses räumte zugleich ein: „Ich bin noch dabei, mich an das Amt zu gewöhnen. Man wächst in so etwas hinein.“ Er sehe sich in einer großen Kontinuität seiner Vorgänger Käßmann und Bischof Wolfgang Huber.