Beim Deutschen Gewerkschaftsbund freute man sich über Gabriels Bekenntnis zur Kooperation, und doch blieb ein Rest Skepsis.

Hamburg. Der Neuanfang erforderte Worte der Demut. Als SPD-Chef Sigmar Gabriel gestern vor mehr als 600 Betriebsräten in Bochum über die Arbeitsmarktideen seiner Partei sprach, da wurde er grundsätzlich: SPD und Gewerkschaften dürften sich "nie wieder so weit voneinander entfernen, wie das in den letzten Jahren der Fall war", sagte Gabriel. "Das darf uns nie wieder passieren."

Der SPD-Chef räumte ein, dass es eine ganze Reihe von Entscheidungen der SPD gegeben habe, "bei denen jedenfalls die Warnungen der Gewerkschaften richtiger waren als unsere Entscheidungen". Er meinte damit die Hartz-IV-Gesetze, von denen sich die Sozialdemokraten inzwischen deutlich distanzieren. Die SPD habe verstanden, so Gabriel, warum sie die Bundestagswahl verloren hat, und habe daraus Konsequenzen gezogen. Wahlen könne die SPD zwar nicht allein mit der Unterstützung der Gewerkschaften gewinnen. "Aber ohne und gegen sie wird uns das gar nicht gelingen", sagte der SPD-Vorsitzende.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) freute man sich über Gabriels Bekenntnis zur Kooperation, und doch blieb ein Rest Skepsis. Der DGB-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Guntram Schneider, sagte: "In den letzten Jahren gab es kein gutes Verhältnis zwischen der SPD und den Gewerkschaften." Vertrauen sei verspielt worden. Es sei nun an der SPD, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Die Gewerkschaften bräuchten Verbündete in den Parlamenten, die bereit seien zu regieren.

Ein Rest Skepsis gegenüber der SPD haben auch die NRW-Grünen. Deren Anhänger forderte Gabriel nämlich zum Stimmensplitting bei der Landtagswahl am 9. Mai auf. Wer Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und die schwarz-gelbe Koalition abwählen wolle, müsse als Grünen-Wähler mit der Erststimme für den SPD-Wahlkreiskandidaten stimmen, sagte Gabriel. Bei der Landtagswahl haben die Wähler erstmals zwei Stimmen. Mit der Erststimme entscheiden sie über den Wahlkreisabgeordneten, mit der Zweitstimme wählen sie die Landesliste einer Partei. Die Zweitstimmen entscheiden über die Sitzverteilung im Landtag.

Die Grünen reagierten zurückhaltend auf Gabriels Splitting-Idee. Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann sagte dem Abendblatt: "Über Sigmar Gabriels Aufforderung, der SPD die Erststimme zu geben, entscheiden unsere Leute vor Ort. Daraus kann aus meiner Sicht aber nur etwas werden, wenn die SPD im Gegenzug ihre eigenen Anhänger auffordert, den Grünen die Zweitstimme zu geben." Eine Zusammenarbeit funktioniere nur über Geben und Nehmen. Löhrmann stellte klar: "Die SPD sollte nicht glauben, sie könnte bei uns einfach so mal Stimmen abholen." Die Grünen-Spitzenkandidatin wertete Gabriels Äußerungen aber auch positiv: "Die SPD hat offenbar Morgenluft gewittert. Wir sagen schon länger, dass wir uns eine rot-grüne Landesregierung gut vorstellen können." Sie freue sich, "dass die SPD nun auch konkret geworden ist". Löhrmann sagte weiter: "Wir begrüßen dieses Signal. Wenn wir beide kämpfen, können wir es schaffen."

Laut Gabriel hängt eine rot-grüne Mehrheit entscheidend von der Wahlbeteiligung ab. Wenn die Beteiligung deutlich über der Marke von 60 Prozent liege, habe SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft gute Chancen, mit den Grünen eine Regierung zu bilden, so der SPD-Chef. In Umfragen hat derzeit weder die regierende CDU/FDP-Koalition noch ein rot-grünes Bündnis eine Mehrheit. Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles umwarb die Grünen. Sie rief ihre eigene Partei auf, ihr Verhältnis zu den Grünen neu zu justieren. "Ich glaube, dass die SPD den Fehler gemacht hat, zu lange zu denken, die Grünen seien - ohne dass wir dafür viel tun müssten - unser natürlicher Koalitionspartner", sagte sie der "Rheinischen Post". Spätestens mit der schwarz-grünen Koalition in Hamburg sei dies "als Irrtum entlarvt" worden.