Kritik kommt von den Sozialverbänden. Sie sehen den Zivildienst in Gefahr. Und aus den eigenen Reihen: wegen der kürzeren Grundausbildung.

Hamburg/Berlin. Auf einmal wurde Wilfried Stolze hellhörig. Bisher verlief der Festakt des Reservistenverbandes in der Berliner Landesvertretung von Baden-Württemberg ohne nennenswerte Zwischenfälle. Das änderte sich mit der Rede des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Schon ab Anfang Oktober 2010 sollen die Wehrpflichtigen nur noch sechs statt der bisher neun Monate Dienst leisten, gab der Minister bekannt. Nicht wie geplant erst ab 2011. Noch mehr erfuhr Stolze, Sprecher des Bundeswehrverbandes, über das wohl wichtigste Reformprojekt des Verteidigungsministers. Guttenberg wolle auch die dreimonatige Grundausbildung kürzen. "Flexibel könne man noch ein Monatselement hinzufügen", erklärte der Minister gestern der Öffentlichkeit sein Konzept. Der Wehrdienst solle keine "Bummelerfahrung" mehr sein, sondern "sechs bestens genutzte Monate für junge Menschen werden."

Ein Konzept, von dem der Bundeswehrverband bisher nur wenig Konkretes erfahren hat. Bereits im Januar hatte der Verband einen Brief mit zehn Fragen zur Wehrdienstreform an Guttenberg und Kanzlerin Angela Merkel geschickt. "Es wird endlich Zeit, dass wir eine Antwort bekommen", sagt Stolze. Eine erste Antwort bekam er beim Festakt für die Reservisten. Stolze sieht durchaus eine Chance in dem kürzeren Wehrdienst. Aber nur, wenn die sechs Monate große Attraktivität für die Rekruten habe. "Es kann nicht sein, dass ein Mechaniker nur Panzer putzt. Oder ein Fachmann für IT in der Kleiderkammer arbeitet", sagt Stolze. Auch die Kasernen müssten deutlich vergrößert werden. Schon heute seien zu viele Soldaten in einem Zimmer.

Kritik kommt auch von anderer Seite. "In der Truppe wird die Verkürzung überwiegend sehr skeptisch gesehen, weil man dort im Augenblick noch nicht erkennen kann, in welche Richtung das Ganze gehen soll", sagte der Wehrdienstbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD), dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Doch nicht nur der Wehrdienst wird gekürzt, sondern wohl auch der Zivildienst - darüber allerdings wird noch heftig gestritten. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband stellte den gesamten Zivildienst in Frage. "Mit der Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate bleiben nach Abzug der Zeit für Einweisung und Lehrgänge netto noch drei, bestenfalls vier Monate übrig. Nutzen und Sinn des Zivildienstes werden damit komplett in Frage gestellt - für die jungen Männer selbst, für die Einsatzstellen und besonders natürlich für die Menschen, die von den Zivis betreut werden", sagte der Abteilungsleiter für soziale Arbeit beim Paritätischen Gesamtverband, Thomas Niermann, dem Abendblatt. Einige Einrichtungen hätten bereits angekündigt, sich ganz aus dem Zivildienst zurückzuziehen.

Der Deutsche Caritas-Verband hat das Verteidigungs- und das Familienministerium bereits schriftlich aufgefordert, bis zum April die gesetzlichen Grundlagen für die neuen Dienstzeiten zu schaffen. "Ich bin aber skeptisch, dass das gelingt", sagte Caritas-Sprecherin Barbara Fank-Landkammer dem Abendblatt. Die Caritas-Einrichtungen, die 10 600 Zivildienstleistende beschäftigen, stellen sich bereits auf die neuen Regelungen für die Bezahlung und die verkürzten Schulungen ein. "Wir erwarten, dass die freiwillige Verlängerung geregelt wird", sagte Fank-Landkammer.

Einstellen ist auch für Wilfried Stolze ein wichtiges Stichwort: "Wir schlagen vor, einige Punkte aus der Ausbildung der Wehrdienstleistenden zu streichen: Nicht jeder braucht beispielsweise die vorbereitende Einsatzausbildung. Nicht jeder muss an Kampffahrzeugen ausgebildet werden."