Die Bundesagentur für Arbeit äußert sich im Abendblatt skeptisch zu Krafts Plänen. Die CDU wirft ihr vor, Westerwelle nachzuahmen.

Hamburg/Düsseldorf. Hannelore Kraft hätte es wissen müssen. Spätestens als Guido Westerwelle mit lauten Tönen vor "spätrömischer Dekadenz" im Sozialstaat gewarnt und "sozialistische Denkverbote" in der Debatte um Hartz IV beklagt hatte, schlug dem FDP-Chef von allen Seiten Kritik entgegen.

Jetzt hat Nordrhein-Westfalens stille SPD-Spitzenfrau Westerwelle aus den Schlagzeilen verdrängt. Auch ihr schallt nun lauter Protest entgegen - vom politischen Gegner ebenso wie von den Gewerkschaften und den Grünen, ihrem Wunsch-Koalitionspartner nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen in acht Wochen.

Kraft hatte vorgeschlagen, dass Hartz-IV-Empfänger Straßen fegen oder in Altenheimen und Sportvereinen helfen sollen. Dies seien Möglichkeiten für eine freiwillige Arbeit zum Wohl des Gemeinwesens. Im Unterschied zu FDP-Chef Guido Westerwelle gehe es ihr nicht um Zwang, sondern um eine "dauerhafte Perspektive" für nicht vermittelbare Langzeitarbeitslose. Doch die Skepsis gegenüber ihren Vorschlägen ist groß. "Wir organisieren bereits heute in erheblichem Umfang gemeinnützige Jobs für Langzeitarbeitslose, denkt man an die Ein-Euro Jobs", sagte Heinrich Alt, Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA), dem Abendblatt. Ziel der BA sei es, möglichst viele Arbeitslose wieder an den regulären Arbeitsmarkt heranzuführen, ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Alt kritisierte zudem die öffentliche Debatte über Hartz IV. "Wir reden zu viel über Geld und zu wenig über Integrationsarbeit." Es gelte, eine Debatte zu führen, wie man die Teilhabemöglichkeiten erschließen kann. "Gelingt dies nicht, unterstützt der Staat übergangsweise mit Sozialtransfers", sagte Alt.

Der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels, NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, nannte es unerträglich, dass die SPD-Landeschefin einem Viertel der Hartz-IV-Empfänger keine Chancen mehr einräume. Und der designierte Generalsekretär der NRW-CDU, Andreas Krautscheid, sprach gar von einer "Kapitulationserklärung gegenüber allen Arbeit suchenden Menschen". Statt neue Ideen zu präsentieren, kopiere Kraft Westerwelle.

Auch die Gewerkschaft ver.di kritisierte die Vorschläge. Kraft werte hoch qualifizierte Tätigkeiten im sozialen Bereich ab und unterschätze Verdrängungs- und Dumpingeffekte zulasten regulärer Beschäftigung durch niedrig oder gar nicht entlohnte Arbeitskräfte. Von einer "missverständlichen Idee" sprach auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher. Es gebe bereits eine beachtliche Zahl von gemeinnützigen Jobs.

Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, nannte die Schaffung eines gemeinnützigen Arbeitsmarktes dagegen "berechtigt". Ergänzend zur normalen Arbeitsvermittlung könnten solche Angebote funktionieren, weil es eine große Anzahl von Langzeitarbeitslosen gebe, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden könne.

Auch das SPD-Präsidium unterstützte Kraft. Und dennoch: Die harsche Kritik - auch von politischen Partnern - ließ SPD-Vertreter noch einmal die Freiwilligkeit dieser Arbeiten betonen.

Wer Kraft kennt, weiß dass ihre Vorschläge nicht aus heiterem Himmel kamen. Seit Jahresbeginn ist sie auf einer "Tat-Kraft-Tour" unterwegs und arbeitet tageweise in sozialen Einrichtungen mit - Seite an Seite mit Ein-Euro-Kräften. Und sie erhält auch Zustimmung abseits der eigenen Partei. "Es ist gut, wenn Politiker aller Parteien endlich darüber reden", sagte FDP-Sozialpolitiker Heinrich Kolb. Ein Lob, das auch nach einer Rechtfertigung für die lauten Töne seines Chefs Westerwelle klingt.