Kanzlerin Merkel trifft sich heute mit Wirtschaftsverbänden. Im Vorfeld hat der Mittelstand vor den Folgen des schwarz-gelben “Gegeneinanders“ gewarnt.

Berlin. Kurz vor dem für heute angesetzten Spitzengespräch der deutschen Wirtschaftsverbände mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben sich auch Deutschlands Mittelständler verärgert über die Politik der schwarz-gelben Koalition gezeigt.

"Wenn Schwarz-Gelb jetzt nicht bald durchstartet, und zwar geschlossen und in eine Richtung, dann können wir uns von dem durchaus realistischen Wachstumsziel von 1,8 oder zwei Prozent verabschieden", sagte der Präsident des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, im Deutschlandradio Kultur. Ohoven bemängelte das "selbstzerstörerische Gegeneinander" im Regierungsbündnis. Die Koalition sei mit einem großen Vertrauensvorschuss der Wirtschaft gestartet, doch inzwischen habe sich große Ernüchterung breitgemacht.

Besonders hart ging Ohoven mit der CSU des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer ins Gericht. "Was auf jeden Fall psychologisch das absolut falsche Signal an die Wirtschaft vermittelt hat, das war der ja fast schon obligatorische Protestschrei aus Bayern." Die Unternehmer bräuchten Planungssicherheit und keine Profilierung auf Kosten des Koalitionspartners um jeden Preis. Ausgerechnet der FDP-Vorsitzende, der in den vergangenen Wochen selbst zur uneinheitlichen Außenwirkung der Koalition beigetragen hatte, bekam Lob von dem Verbandsvertreter. Ohoven honorierte Guido Westerwelles Mut, "in der Sozialstaatsdebatte auf das Missverhältnis zwischen regulärem Einkommen und Transferleistungen hinzuweisen". Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nahm sogar alle Regierungsparteien in Schutz.

Er warb dafür, CDU/CSU und FDP mehr Zeit zu lassen. "Ich beteilige mich nicht an einer generellen Schelte der Bundesregierung, obwohl die Außendarstellung manchmal zu wünschen übrig lässt", sagte Hundt der "Passauer Neuen Presse". Er erinnerte daran, dass eine Wahlperiode "ungefähr 1500 Tage" dauere. "Niemand würde auf die Idee kommen, einen Mittelstreckenläufer, der 1500 Meter zu absolvieren hat, an seiner Leistung auf den ersten 100 Metern zu messen." Unterstützung für Merkel meldete überraschend DGB-Chef Michael Sommer an. Während die Kanzlerin sich gemeinsam mit Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) um soziale Balance bemühe, versuche die FDP fortwährend, die Gesellschaft zu spalten, diagnostizierte er in der "Neuen Westfälischen".

Ein gespaltenes Bild gibt derzeit allerdings insbesondere die CSU ab. So blieb die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag im Streit über die Gesundheitspolitik der Koalition gestern auf Distanz zur Parteiführung in München. "Im Gegensatz zu manchen Äußerungen aus der Landespolitik" sei die Landesgruppe bereit, die von der Regierung eingesetzte Kommission zum Umbau der Krankenversicherung offensiv zu begleiten, bekräftigte der CSU-Sozialexperte Max Straubinger im Bundestag. Vor wenigen Tagen hatte Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich die wiederholten Attacken des bayerischen Gesundheitsministers Markus Söder wie auch von CSU-Chef Horst Seehofer selbst gerüffelt.

Seehofer wies Friedrichs Kritik nun als "völlig überflüssige Sache" zurück. "Was er sich geleistet hat, das kann man mit Freundlichkeit nicht wettmachen", sagte der offenbar maßlos verärgerte Parteichef der "Passauer Neuen Presse".