Die Generalsekretäre von FDP und CSU streiten weiter um die Kopfpauschale. Die SPD startet dagegen eine Unterschriftenliste.

Berlin. Die mahnenden Worte der Bundeskanzlerin blieben ohne messbaren Erfolg: CSU und FDP setzten ihren Streit um die Gesundheitspolitik auch nach dem Auftritt Angela Merkels in der ARD in aller Schärfe fort.

Dabei hatte Merkel insbesondere die kleinen Partner in der schwarz-gelben Koalition dazu aufgerufen, die vielen Debatten einzustellen und zur Sacharbeit zu kommen. Doch FDP-Generalsekretär Christian Lindner focht das nicht an. Er warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und seinem Gesundheitsminister Markus Söder (beide CSU) gestern eine "wenig konstruktiven Haltung" vor, die das Erscheinungsbild der Koalition insgesamt beschädige - und letztlich sogar die Autorität der Kanzlerin.

Lindner war offensichtlich noch verärgert wegen des am Wochenende aus München erneut angeheizten Streits um die Kopfpauschale im Gesundheitswesen, die von der CSU vehement abgelehnt wird. Lindner rief beide dazu auf, "die öffentliche Störung einer konstruktiven Lösungssuche" umgehend einzustellen. Die Reaktion aus München folgte auf dem Fuße. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt beklagte die "ungeheuerlichen Rüpeleien der FDP", die sofort beendet werden müssten. "Solche Ungehörigkeiten haben in der Koalition nichts zu suchen."

Merkel hatte auch mit Blick auf den Streit um die Neuordnung des Gesundheitswesens kritisiert, dass es bei einigen Themen derzeit mehr öffentlichen Schlagabtausch als Lösungen gebe - und Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) für seine Umbaupläne grundsätzlich Rückendeckung gegeben: Die zu diesem Zweck eingesetzte Regierungskommission solle erst mal ihre Arbeit machen. Ähnlich hatte sich auch Unionsfraktionschef Volker Kauder im Abendblatt geäußert. Im Koalitionsvertrag ist eine einkommensunabhängige Gesundheitsfinanzierung über Prämien als Ziel verankert, die Kommission soll die Details ausarbeiten. Nach CSU-Berechnungen würde die Pauschale 145 Euro betragen und 21 Milliarden Euro aus Steuermitteln erfordern. Lindner bezeichnete die CSU-Zahlen als unplausibel und warf der Partei vor, von eigenen inneren Unruhen ablenken zu wollen. "Das fortwährende Infragestellen des Koalitionsvertrags in seinen wesentlichen Richtungsentscheidungen hilft uns nicht bei der Lösung der drängenden Probleme im Gesundheitswesen."

Dobrindt konterte, Lindner nähere sich in seiner Wortwahl dem Duktus von Parteichef Guido Westerwelle an. Die FDP dürfe ihre Nervosität wegen der bevorstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nicht länger an der Koalition auslassen. "Bei der FDP scheint eine fiebrige Grippe ausgebrochen zu sein, die das Lesen des Koalitionsvertrags erschwert." Vom Umbau zu einer Kopfpauschale stehe dort nichts. Lindner riet Dobrindt daraufhin, den Koalitionsvertrag "noch einmal aufmerksam" durchzulesen. Letztlich haben beide recht: Zwar ist in dem Papier das Wort "Gesundheitsprämie" ebenso wenig zu finden wie der Begriff "Kopfpauschale". Wohl aber wurde als langfristiges Ziel benannt, das bestehende Ausgleichssystem in eine "Ordnung mit (...) einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen" zu überführen.

Die oppositionelle SPD kündigte unterdessen an, eine Unterschriftenaktion gegen die Kopfpauschale starten zu wollen. Damit sollen unter anderem Wähler für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mobilisiert werden, bei der die SPD Morgenluft wittert. Bei einer Niederlage hätte Schwarz-Gelb im Bundesrat keine eigene Mehrheit mehr. Parteichef Sigmar Gabriel sagte, dann würden Pläne über die Länderkammer gestoppt: "Was hier vorbereitet wird, ist wirklich die Zerschlagung der gesetzlichen Krankenversicherungen."