Rücktritt des Wahlkampfmanagers verschaffte ihm keine Atempause. CDU warb systematisch für Termine mit dem Regierungschef.

Hamburg. Der Tag nach dem Rücktritt seines glücklosen Generalsekretärs brachte Jürgen Rüttgers nicht mal eine Atempause. Auch nach dem abrupten Abgang von Hendrik Wüst sind noch zu viele Fragen in der "Sponsoring-Affäre" offen, die für den Landesvater zehn Wochen vor dem Urnengang allesamt zur Unzeit kommen. Rüttgers bemühte sich um Schadensbegrenzung. Er räumte offen ein, dass das Ereignis ihn nicht nur "persönlich ärgert", sondern dass es ihm auch "politisch schadet" - und präsentierte mit Landesmedienminister Andreas Krautscheid auch flugs einen neuen Generalsekretär. Wüst hatte am Montag auf Drängen von Rüttgers sein Amt niedergelegt, weil er Werbebriefe an Sponsoren verschicken ließ, in denen den Unternehmen gegen ein entsprechendes Salär Gespräche mit dem Ministerpräsidenten bei CDU-Veranstaltungen angeboten worden waren. Der Eindruck, dass Politik in NRW käuflich sein könnte, stand von da an im Raum.

Rüttgers beteuerte zwar sogleich, nichts von dem Rundschreiben seines Ex-Wahlkampfmanagers Wüst gewusst zu haben. Doch damit dürfte sich die von der SPD-Landeschefin Hannelore Kraft angeführte Opposition kaum zufriedengeben. Sie wittert, befördert durch das immer knapper werdende Rennen in den Umfragen, Morgenluft. Schon jetzt hat die Regierungskoalition aus CDU und FDP laut Forsa keine Mehrheit mehr: Christdemokraten und Liberale kämen derzeit auf 47 Prozent der Stimmen, während SPD, Grüne und Linke zusammen 48 Prozent erhielten. Da kann man davon ausgehen, dass die Herausforderer von jetzt an alles daransetzen werden, herauszufinden, ob Rüttgers wirklich nichts von den Vermarktungsaktivitäten wusste. Bereits morgen befasst sich damit auf Antrag der Oppositionsfraktionen der Hauptausschuss des Düsseldorfer Landtags.

Zwar bekräftige Rüttgers gestern noch einmal, dass es keine Einzelgespräche auf Grundlage von Sponsoring gegeben habe und er die entsprechenden Schreiben nicht gekannt habe. Doch dem WDR liegen inzwischen eine ganze Reihe von Angeboten aus der CDU vor, aus denen hervorgeht, dass Sponsoren gegen Geld offenbar gezielt Nähe zu Rüttgers herstellen konnten. Wer etwa beim CDU-Parteitag im Juni 2008 für 12 000 Euro das "Partnerpaket 3" buchte, hatte laut WDR gleich auch die Möglichkeit, ein Einzelgespräch mit dem Regierungschef zu führen. Für den Parteitag in Münster kostet das gleiche Partnerpaket nach Angaben des Senders schon 20 000 Euro, berichtete der Sender. Und wer auf dem CDU-Zukunftskongress als "Platinsponsor" für 22 000 Euro Ausstellungsfläche buche, habe auch die Gelegenheit, beim Abendessen am VIP-Tisch mit Rüttgers zu speisen.

Diese ungewöhnlichen Finanzierungspraxen ziehen nun Kreise bis in die Hauptstadt. Wie ein Bundestagssprecher dem Kölner "Express" bestätigte, beschäftigt sich inzwischen auch die Parlamentsverwaltung damit. Außerdem prüfe der Bundestag, ob es sich bei einer möglichen Anwerbung der sogenannten Platinsponsoren inklusive des Essens mit Rüttgers um einen Verstoß gegen das Parteiengesetz handele. Dafür müsse geklärt werden, ob es sich bei den Vorgängen um Sponsoring oder eine Spende gehandelt habe.

Die CDU versuchte die Flucht nach vorn und verwies auf ähnliche Praktiken beim politischen Gegner. Tatsächlich gibt es auch bei der SPD Hinweise auf Sponsoring-Aktivitäten. Die "Bild"-Zeitung berichtete, dass die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen versucht hätten, Unternehmen mit dem Besuch von prominenten Genossen zum Buchen von Parteitags-Ständen zu gewinnen. Demnach betrug die Standmiete beim Landesparteitag im April vergangenen Jahres in Halle/Westfalen 200 Euro pro Quadratmeter. Die Unternehmen konnten demnach auch angeben, ob sie etwa lieber mit dem damaligen Parteichef Franz Müntefering oder mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier einen Fototermin wünschten.