Bis zu 30 gesetzliche Kassen wie die DAK verlangen acht Euro mehr pro Monat. HEK verzichtet zunächst.

Berlin. Millionen Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen müssen ab Februar Zusatzbeiträge von acht Euro pro Monat zahlen. Herbert Rebscher, Vorsitzender der Deutschen Angestellten-Krankenkasse mit Sitz in Hamburg, kündigte an: "Ich werde meinem Verwaltungsrat empfehlen, ab Februar acht Euro zu nehmen." Ähnlich äußerten sich Vorstände etlicher Betriebskrankenkassen.

Gesetzliche Krankenkassen können einen Zusatzbeitrag erheben, wenn sie mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen. Verwiesen wird auf die gestiegenen Ausgaben für Arzthonorare, Krankenhausvergütungen und Arzneimittel. Außerdem gibt es Einnahmeverluste durch gestiegene Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Schätzungen zufolge könnten bis zum Sommer die Versicherten von 30 Kassen betroffen sein.

Die Versicherung KKH-Allianz mit Sitz in Hannover kündigte Acht-Euro-Zusatzbeiträge für ihre 1,5 Millionen Mitglieder für die erste Jahreshälfte an. Bei der Deutschen BKK - sie hat rund 750 000 zahlende Mitglieder - stehe das Thema bei der nächsten Verwaltungsratssitzung an, sagte Vorstand Achim Kolanoski. Der Chef der AOK Schleswig-Holstein, Dieter Paffrath, deutete an, er dürfe wegen noch fehlender Beschlüsse nicht mitteilen, wann seine Kasse Zusatzbeiträge erhebe. Eine vorläufige Entwarnung kommt von der Hanseatischen Krankenkasse (HEK). "Wir werden in diesem Jahr keine Zusatzbeiträge erheben, sofern die Leistungsausgaben nicht stärker steigen, als die Experten im Gesundheitswesen vorausgesagt haben", sagte Sprecherin Nicole Schlüter. Bei der HEK sind 60 000 Hamburger versichert.

Die bevorstehende Einführung der Zusatzbeiträge illustriert aus Sicht von Gesundheitsminister Philipp Rösler die Notwendigkeit eines Systemwechsels. Es sei "dringend notwendig, die bisher unfertige Gesundheitsreform weiter zu verbessern", sagte der FDP-Politiker. Nicht nur die Einnahmeseite müsse stabilisiert werden, sondern auch die Ausgabenseite. Ein Beispiel werde die Festlegung der Arzneimittelpreise sein. "Hier können wir uns bessere Systeme vorstellen", so Rösler. SPD, Linke, AOK und Sozialverbände warnten vor einer sozialen Schieflage. Sie riefen Rösler auf, die Zusatzbeiträge in letzter Minute zu verhindern und den Weg zur Kopfpauschale aufzugeben. Geringverdiener müssten von den Zusatzbeiträgen befreit werden, forderte der Paritätische Wohlfahrtsverband. Das Abendblatt beantwortet wichtige Fragen zum Beitragsplus:

* Wie hoch ist der Beitrag?

Der Zusatzbeitrag ist grundsätzlich auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt, das sind maximal 37,50 Euro im Monat oder jährlich 450 Euro. Die Kassen können alternativ auch eine Pauschale von bis zu acht Euro monatlich von ihren Versicherten kassieren, ohne deren Einkommen zu überprüfen. Weil die Einkommensprüfung aufwendig und teuer ist, werden die meisten Kassen zunächst eine Pauschale erheben.

Gilt der Zusatzbeitrag auch für mitversicherte Familienmitglieder?

Nein. Es zahlt nur das Kassenmitglied, nicht aber der mitversicherte Partner oder das Kind.

Gibt es Ausnahmen in Härtefällen?

Versicherte, die Sozialhilfe oder Grundsicherung erhalten, weil ihre Rente gering ist, zahlen den Zusatzbeitrag nicht selbst. In diesen Fällen übernimmt das Amt die Kosten. Auch für Langzeitarbeitslose wird der Zusatzbeitrag "in Härtefällen" von der Bundesagentur für Arbeit übernommen, etwa dann, wenn den Betroffenen ein Kassenwechsel nicht zugemutet werden kann.

Können sich Versicherte gegen den Zusatzbeitrag wehren?

Nein. Es bleibt nur die Option eines Kassenwechsels. Erhebt eine Kasse einen Zusatzbeitrag, haben Versicherte ein Sonderkündigungsrecht. Das setzt die übliche 18-monatige Mindestbindung an eine Krankenkasse außer Kraft. Es gilt eine Kündigungsfrist von zwei Monaten. Versicherte, die bereits 18 Monate einer Kasse angehören, können auch ohne Berufung auf ihr Sonderkündigungsrecht wechseln. Die Kasse muss rechtzeitig über den Zusatzbeitrag informieren, sodass der Versicherte die Kasse wechseln kann, ohne den neuen Beitrag zu zahlen. Für Versicherte mit einem freiwilligen Wahltarif etwa mit Selbstbehalt oder Beitragsrückerstattung gilt das Sonderkündigungsrecht nicht.