Europäischer Gerichtshof hält familienrechtliche Regelungen für diskriminierend. Ein Vater erzählt.

Hamburg. Die Geburtstagspakete kommen ungeöffnet zurück, bei Anrufen wird aufgelegt, bei zufälligen Begegnungen gedroht. Der Hamburger Arnulf Fröhlich (43) hat keine Chance, seine jetzt drei Jahre kleine Sunhild zu sehen. Nur bei ihrer Geburt war er noch dabei. Seitdem verweigert ihre Mutter ihm jede Möglichkeit einer Begegnung mit seiner Tochter.

An zwei Gerichten ist er bisher mit seinem Antrag auf Sorgerecht gescheitert. Und eigentlich ist es auch noch schlimmer: Er hat nicht einmal die Möglichkeit, seine Vaterschaft zu beweisen. Seine damalige Freundin war zum Zeitpunkt der Geburt seiner Tochter ("ein Wunschkind") verheiratet und ist danach zu ihrem Mann zurückgekehrt. Damit gilt vor dem Gesetz ihr Ehemann als Vater, und Arnulf Fröhlich konnte nicht einmal per Gericht eine Feststellung auf Vaterschaft durchsetzen. "Dabei möchte ich nur für meine Tochter da sein", sagt er. Selbst die Richter sind erstaunt, wenn Fröhlich klagt, um Verantwortung übernehmen zu können und letztlich auch Unterhalt für seine Tochter zahlen zu dürfen.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das gestern unverheirateten Vätern den Rücken gestärkt hat, wird sein Problem nur zum Teil lösen. Und dennoch ist es für ihn eine weitere Stufe, die die Schieflage, wie er es nennt, in der Behandlung von getrennten Müttern und Vätern im Umgang mit ihren Kindern beseitigt. "Mit welchem Recht lebt denn das Kind bei der Mutter und nicht beim Vater?", fragt er ganz schlicht.

Die Richter des Europäischen Gerichtshofs in Straßburg gaben gestern dem Vater eines 14-jährigen Mädchens aus dem Raum Köln, der jahrelang vor deutschen Gerichten um das Sorgerecht gestritten hatte, recht. Er hatte zunächst mit seiner Partnerin und der Tochter zusammengelebt, bis sich das unverheiratete Paar nach drei Jahren trennte und die Mutter mit dem Kind umzog. Es kam zwar zu einer einvernehmlichen Besuchsregelung, doch seine schlechten rechtlichen Möglichkeiten ärgerten Horst Zaunegger trotzdem. Deswegen klagte er.

Die Rechtslage sieht in Deutschland bisher vor, dass beide unverheirateten Elternteile das Sorgerecht haben, wenn sie es gemeinsam erklären. Sonst liegt es nur bei der Mutter. Verwehrt sie dem Partner die Zustimmung zum Sorgerecht, muss er es einklagen. Bisher haben die Richter meistens zugunsten der Mutter entschieden. Bei ehelich geborenen Kindern gilt hingegen gleich ein gemeinsames Sorgerecht. Der Verein "Väteraufbruch" schätzt, dass von dem Urteil 1,5 Millionen Väter von 1,6 Millionen Kindern betroffen sind. "Mein Status als nicht ehelicher Vater ist eine Katastrophe, ich bin acht Jahre gegen die Wand gelaufen", sagte Zaunegger.

In der Urteilsbegründung hieß es, der Vater sei von deutschen Gerichten, die gegen ein gemeinsames Sorgerecht entschieden hätten, anders behandelt worden als die Mutter oder verheiratete Väter. Dies verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Achtung des Familienlebens der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Die Bundesregierung muss jetzt dafür sorgen, dass dieser Fall in Deutschland nicht erneut eintritt. Das Gesetz wird geändert werden müssen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kündigte eine Prüfung der Rechtslage an. Im Mittelpunkt einer bereits in Auftrag gegebenen Studie steht demnach die Frage, "warum es trotz der Möglichkeit gemeinsamer Sorge beim alleinigen Sorgerecht der Mutter bleibt".

"Die Bundesregierung kennt dieses Problem seit zehn Jahren. Ich befürchte allerdings, dass nur eine minimalistische Lösung gefunden wird und dass das Recht der Mutter weiter im Vordergrund bleiben wird", sagte der erfolgreiche Kläger Horst Zaunegger gestern. Die bisherige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), die bei der Modernisierung des Familienrechts das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt gestellt hat, hatte die Problematik der Väter erkannt, musste sich aber offenbar den feministischen Strömungen ihrer Partei beugen, die die Vorteile der Mütter erhalten wollten.

Der rechtspolitische Sprecher der Union, Michael Grosse-Brömer, mahnte gestern gegenüber dem Abendblatt eine bessere Regelung für die ledigen Väter an. "Auch Väter nicht ehelicher Kinder haben ein natürliches Elternrecht", sagte er. "Väter sollten demnach einen rechtlichen Anspruch auf ein gemeinsames Sorgerecht erhalten, wenn die gemeinsame Sorge im jeweiligen Einzelfall im Interesse des Kindes liegt. Anhaltspunkt könnte hierfür wie im aktuellen Fall etwa sein, wenn der Vater über einen längeren Zeitraum gezeigt hat, dass er willens und in der Lage dazu ist, für das Kind zu sorgen." Der Europäische Gerichtshof habe "den geänderten gesellschaftlichen Realitäten Rechnung" getragen.

Das registriert auch Arnulf Fröhlich, der sich beim Verein "Väteraufbruch für Kinder" für mehr Rechte getrennter Väter und ihrer Kindern engagiert. Er hält die bisherigen Regelungen für rückständig. "Da werden Situationen gedeckelt, die es nicht mehr gibt", sagt er und meint: uneheliche Kinder und Väter, die sich um sie kümmern wollen.

Bisher hatte er auch nicht das Gefühl, dass es ein politisches Interesse dran gibt, diese Situation zu ändern. Für sich selbst hat er nur beschlossen, dass er weiter um seine kleine Sunhild kämpfen will, auch wenn ihm manchmal Zweifel kommen, ob er ihre Welt nicht doch in Gefahr bringen könnte. "In meinem Fall haben die Erwachsenen ein Problem", sagt er. "Sunhild könnte gut damit umgehen, einen Vati und einen Papi zu haben." Arnulf Fröhlichs Hoffnung ist, dass seine ehemalige Freundin das irgendwann auch erkennt und ihn zu seiner Tochter lässt.