Berlin. Das Kinderhilfswerk hat die Benachteiligung von Schülern aus sozial schwachen Familien gerügt. "Unser Bildungssystem ist ein Verstärker bestehender Ungleichheiten", sagte Vereinspräsident Thomas Krüger bei der Vorstellung des Kinderreports 2010 gestern in Berlin. So sei die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder von Akademikern die Schule mit dem Abitur abschließen, sechsmal höher als bei anderen Familien.

Krüger verwies auf die Uno-Kinderrechtskonvention und das darin festgelegte Recht auf Bildung. Die Bildungspolitik müsse ein besonderes Augenmerk auf Schüler mit Migrationshintergrund legen, sagte er. Notwendig seien zusätzliche Fördermaßnahmen und eine gezielte Sprachförderung. Probleme bereitet Krüger zufolge vor allem der Übergang zu weiterführenden Schulen, "weil Lehrer bei ihrer Empfehlung auch den Hintergrund der Eltern berücksichtigen".

Die zentrale Bedeutung des Elternhauses betonte auch Nadia Kutscher, die Mitautorin der Studie: "Familien sind der Ort, an dem Bildungsungleichheit entsteht." Häufig fehle den Eltern der soziale und finanzielle Hintergrund, um ihren Kindern eine erfolgreiche Schullaufbahn zu ermöglichen. "Es gibt Kommunen, da erkennt man die Kinder von Hartz-IV-Empfängern an den kopierten Schulbüchern."

Um dem entgegenzuwirken, forderte Kutscher einen Ausbau der Ganztags- und Gemeinschaftsschulen. Schüler aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus könnten so länger zusammen lernen, so könnten herkunftsbedingte Ungleichheiten relativiert werden. Die Undurchlässigkeit des mehrgliedrigen Schulsystem war in der Vergangenheit mehrfach kritisiert worden, unter anderem durch den Uno-Sonderberichterstatter Vernor Munoz Villalobos.

Krüger sprach sich zudem dafür aus, die frühkindliche Förderung zu verbessern: "Kindergärten müssen von Betreuungs- zu Bildungseinrichtungen werden." Die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ziele der schwarz-gelben Regierung seien ein "Schritt in die richtige Richtung".