Einer schlug sich mit der Polizei, der andere leugnete den Holocaust, der Dritte legt sich mit seiner Partei - für “eine andere Republik“.

Hamburg. Dass der eine einmal einen Polizeihelm aufsetzen würde und für die Kameras den Gummiknüppel schwingen, der andere den Holocaust leugnen, der Dritte sich für seinen Pazifismus mit den eigenen Parteifreunden von den Grünen anlegen würde - das hätte vor etwa 40 Jahren niemand geglaubt.

Die einst linken Rechtsanwälte Otto Schily, Horst Mahler und Hans-Christian Ströbele, Starjuristen der Außerparlamentarischen Opposition (APO) und der RAF-Terroristen, waren sich damals einig, dass sie "eine andere Republik" wollten. Der Staat war ihr Feind. Heute reden sie gar nicht, Schily und Ströbele nur noch das Nötigste miteinander.

Auch gemeinsam an einen Tisch würden sie sich nicht mehr setzen. Für einen Dokumentarfilm, der heute Abend in Berlin Premiere hat, ist es der Regisseurin Birgit Schulz dennoch gelungen, die drei zu langen Gesprächen über ihr Leben bewegen. Sie sind eng verbunden mit einschneidenden Ereignissen in der Bundesrepublik - die Schah-Demonstration mit dem Tod von Benno Ohnesorg 1967, die RAF-Prozesse in Stuttgart-Stammheim, die Gründung der Grünen mit Schily und Ströbele, ihr Einzug in den Bundestag, der Aufstieg Schilys zum Bundesinnenminister der SPD 1998 und sein Kampf um ein Verbot der rechtsextremistischen NDP, die ausgerechnet von Horst Mahler vor dem Bundesverfassungsgericht juristisch vertreten wurde.

"Die Anwälte - eine deutsche Geschichte" ist mit vielen originalen Filmausschnitten ein Dokument über fast 40 Jahre Zeitgeschichte. Am 12. November ist auch in Hamburg Premiere im Metropolis-Kino. "Der Film ist besser als erwartet und durchaus beeindruckend", sagte Ströbele dem Abendblatt. Er hatte sich nur zögernd und skeptisch darauf eingelassen.

Am Anfang steht ein Foto, das die drei einträchtig zusammen zeigt. Auf der Anklagebank im Amtsgericht Berlin-Moabit sitzt der Anwalt Mahler wegen seiner RAF-Kontakte und der möglichen Beteiligung an der Befreiung von RAF-Gründer Andreas Baader, davor seine Verteidiger Ströbele und Schily. Ströbele trägt Mahlers Robe. Er wendet sich dem langbärtigen Angeklagten zu. Schily sieht mit seinem typisch distanzierten Blick Richtung Kamera. Später wird Schily erzählen, dass er ein gutes Plädoyer zu Mahlers Gunsten gehalten habe. Dann hatte der Angeklagte das letzte Wort und sagte: "Mit Richtern redet man nicht, die erschießt man." Jetzt kann Schily darüber lachen. Damals, so sagt er, habe er die Hände vor den Kopf geschlagen.

Da hatten sich die Wege, die die drei zur Veränderung des Staates einschlagen wollten, schon getrennt. Mahler hatte den Weg der Rechtsstaatlichkeit verlassen, Ströbele und Schily wollten, wie sie sagen, gerade diesen verteidigen. "Ich habe es immer als meine Aufgabe angesehen, die Rechte der Mandanten zu wahren", sagt Ströbele, der 1969 mit Mahler noch das "Sozialistische Anwaltskollektiv" gegründet hatte, um "auf der Seite der Unterdrückten" zu sein. Schon an dem Tag, als der Student Benno Ohnesorg von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen wurde, hatte Ströbele sich als Referendar dem Anwaltsbüro Mahler angeschlossen. Das Gefühl, es solle bei der Aufklärung des Todes etwas vertuscht werden, störte sein "Gerechtigkeitsempfinden".

Mit Anwalt Schily gab es eine professionelle Zusammenarbeit. Mahler und Schily, das wird aus dem Film deutlich, hielten sich für Elite unter den linken Anwälten. Der etwas jüngere Ströbele hatte durchaus Bewunderung für sie. "Ich habe mir ihre Fragetechnik in den Strafprozessen genau angesehen und davon auch gelernt", sagte er dem Abendblatt.

Während Schily und Ströbele sich bis heute in großen Zügen treu geblieben sind, kann auch dieser Film nicht aufklären, was Mahler vom extremen linken auch noch zum extremen rechten Rand getrieben hat. Eine Tragödie nennt das Schily. "Ich finde die Entwicklung unverständlich und schrecklich", sagt Ströbele. Einen Kontakt gebe es seit Jahren nicht mehr. Otto Schily hingegen ist er im Bundestag immer mal wieder begegnet. Doch ohne große Freude. "Wir reden miteinander, aber nicht viel. Das hat sich so ergeben", sagt er. Die Terrorgesetze, die Schily als Bundesinnenminister nach den US-Terroranschlägen von 2001 in Gesetzgebung einbrachte, lehnte Ströbele ab. Doch schon als er 1998 in den Bundestag zurückkehrte, wollte Ströbele jede Konfrontation vermeiden. "Ich bin deswegen ganz bewusst nicht in den Innenausschuss gegangen", sagte er. Heute Abend werden sich die beiden bei der Premiere des Films in Berlin sehen und sicher auch miteinander reden. Allerdings nicht mit Horst Mahler. Wegen Leugnung des Holocaust sitzt er in Haft.