Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ließ durchblicken, dass seine Partei in der Rentenpolitik vor einem Kurswechsel steht.

Hamburg. Vor dem heute in Dresden beginnenden Parteitag der SPD zeichnet sich bereits ein programmatischer Neuanfang ab. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ließ durchblicken, dass seine Partei in der Rentenpolitik vor einem Kurswechsel steht. Als Oppositionsführer im Bundestag wolle er darauf dringen, dass die Rente mit 67 im nächsten Jahr überprüft wird, sagte Steinmeier der "Berliner Zeitung" und fügte hinzu: "Wir haben das Gesetz in unserer Regierungszeit gemacht, und die Überprüfungsklausel ist Teil des Gesetzes. Schon deshalb werden wir sie ernst nehmen." Ernst nahm Steinmeier ganz offensichtlich auch die zahlreichen Anträge, in denen beim Parteitag eine Abschaffung der Rente mit 67 verlangt wird. Ihre Einführung gilt als einer der Gründe für das katastrophale Ergebnis bei der Bundestagwahl.

Steinmeier erwartet jedoch nicht, dass sich die komplette Abschaffung der Rente mit 67 durchsetzen wird. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, warnt seine Partei vor einer Abkehr von der Rente mit 67. "Wir wollen nicht zurück zur Rente mit 65, sondern die Rente mit 67 logischer und gerechter machen", sagte er dem Abendblatt. Er betonte: "Wir kommen jetzt zu den Positionen zurück, die wir ursprünglich wollten, aber aus Koalitionsräson in den vergangenen Jahren nicht verwirklichen konnten."

Auch die designierte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles riet der Partei von überstürzten Beschlüssen ab: "Ein Schnellschuss mit dem Austausch der Zahlen 67 und 65 wäre aber auch völlig unglaubwürdig." Klar sei, dass die bisherigen Antworten der SPD viele Menschen zum Teil als ungerecht empfänden. "Wir müssen eine Politik entwickeln, die Altersarmut verhindert", sagte sie der "Sächsischen Zeitung".

Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, unterstützte die parteiinternen Mahner. "Das wäre das falsche Signal für die künftige Entwicklung der Rentenversicherung", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". In Anbetracht der alternden Gesellschaft könne man vor einer grundsätzlichen Rücknahme nur warnen.

In Dresden will die SPD nicht nur ihren künftigen Kurs klären, sondern vor allem eine neue Führung wählen. Mit Spannung wird neben der Wahl Sigmar Gabriels zum Parteichef die Rede des scheidenden Vorsitzenden Franz Müntefering erwartet.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, rechnet indes nicht damit, dass die Basis mit Müntefering abrechnen wird. "Es wird eine offene, aber mit Sicherheit faire Debatte geben", sagte Oppermann der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Von dem Parteitag werde ein Aufbruchssignal ausgehen. Er lehnte es ab, Müntefering zum "Sündenbock" abzustempeln. Auch der Hamburger Parlamentarier Kahrs geht von schwierigen Debatten aus: "Es wird viele geben, die ihrem Frust freien Lauf lassen werden." Auf dem Parteitag in Dresden werde es nur noch "SPD pur" geben.

Aus Hamburger Sicht gilt die Wahl von Olaf Scholz zu einem der vier Vize-Chefs neben Manuela Schwesig, Hannelore Kraft und Klaus Wowereit als besonders spannend. Scholz, seit Kurzem auch SPD-Landeschef, wird ein sehr gutes Ergebnis vorausgesagt. Der Fraktionsvize im Bundestag wird von allen Parteiflügeln geschätzt und gilt in der SPD als so mächtig wie noch nie.