Mit dem Betreuungsgeld “konserviert Schwarz-Gelb die Unterschicht“. Es waren drastische Worte, die der Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD) wählte, als er in einem “Tagesspiegel“-Interview mit der Familienpolitik der neuen Regierung hart ins Gericht ging.

Berlin. "In der deutschen Unterschicht wird es versoffen, und in der migrantischen Unterschicht kommt die Oma aus der Heimat zum Erziehen, wenn überhaupt", sagte er mit Blick auf das Betreuungsgeld. 150 Euro monatlich sollen ab 2013 Eltern bekommen, die ihre Kinder zu Hause erziehen, statt sie in die Kita zu schicken. Dies sei "zweifellos der beste Weg", wenn die Chancenlosigkeit von Kindern manifestiert und weiter ausgebaut werden solle, sagte Buschkowsky. Fachleuten seien sich einig, "dass wir in die Kinder investieren müssen und nicht in die Eltern". Das Betreuungsgeld werde aber nicht zur Förderung der Kinder ausgegeben.

Der Kinderschutzbund schätzt seine Wirkung ähnlich ein. "Es besteht die Gefahr, dass Eltern lieber das Betreuungsgeld kassieren, obwohl es für ihr Kind besser wäre, in eine Kindertagesstätte zu gehen", sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dem Abendblatt. Kinder bräuchten ein anregungsreiches Umfeld und, in bestimmten Problemfamilien hätten sie dieses nicht. Für diese Kinder sei es wichtig, dass sie professionell betreut würden, damit sie sich weiterentwickeln und eine Chance im Leben hätten. "Doch genau die Eltern von diesen Kindern würde man mit dem Betreuungsgeld davon abhalten, sie in die Kindertagesstätte zu schicken", so Hilgers.

Nach Ansicht der Deutschen Kinderhilfe habe Buschkowsky mit "wünschenswerter Klarheit" die Effekte der Bargeldförderung von Familien beschrieben. Es sei an der Zeit, eine "ehrliche und schonungslose Debatte" über eine echte Hilfe für die in der Unterschicht lebenden Familien zu führen, sagte der Kinderhilfe-Vorsitzende Georg Ehrmann. "Ich befürchte, dass ausgerechnet die Kinder schnell aus der Krippe genommen werden, die sie am nötigsten brauchen", kritisiert auch Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin, Manuela Schwesig (SPD). Das betreffe in Mecklenburg-Vorpommern vor allem Kinder aus Hartz-IV-Familien, in den Großstädten auch Kinder von Migranten.

Die Kritiker des Betreuungsgeldes dürften bei der bisherigen und künftigen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) offene Türen einrennen. Schon vor zwei Jahren warnte sie, dass mit der "Herdprämie" der "Teufelskreis" verstärkt werde, in dem Kinder steckten, die zu Hause keine Chance auf frühe Bildung, gute Sprache, wenig Fernsehen und viel Bewegung hätten. Um zu verhindern, dass "Eltern lieber ihre Haushaltskasse aufbessern", plädierte sie dafür, Bildungsgutscheine auszugeben, die sich bei entsprechenden Einrichtungen und Vereinen einlösen lassen. Ihre Pläne scheiterten damals am Widerstand der CSU, die das Betreuungsgeld vorgeschlagen und sich nun damit in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hat.