Berliner Ex-Finanzsenator verliert Zuständigkeit für Bargeld. Schriftsteller Giordano nimmt ihn in Schutz.

Berlin. "Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte." Dieser trotzige Satz war das Letzte, was öffentlich von Thilo Sarrazin zu hören war. Gestern hat er geschwiegen. Gestern sprach die Bundesbank. Man habe sich "auf die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit verständigt", hieß es steif aus Frankfurt, und dass es nun gelte, "den Blick nach vorn zu richten".

Berlins ehemaliger Finanzsenator sitzt also noch im sechsköpfigen Vorstand der Deutschen Bundesbank. Allerdings etwas gerupft. Man hat dem Dampfplauderer gestern die Kompetenzen beschnitten, der in einem Interview mit der Illustrierten "Lettre International" unter anderem getönt hatte: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und für 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin."

Die Maßregelung ist nicht so drastisch ausgefallen, wie es Bundesbank-Chef Axel Weber gefordert hatte, aber doch deutlich: Sarrazin verliert die Zuständigkeit für den Bereich Bargeld, bleibt aber, abgesehen von der Informationstechnologie, für das Risiko-Controlling verantwortlich. Das ist das Management der Währungs- und Goldreserven

Die Mehrheit der Vorstandskollegen war also offenbar nicht bereit, den - fachlich hoch geschätzten - Kollegen so gründlich abzumeiern, wie es Weber vorgeschwebt hatte. Zum weiteren Verlauf der Vorstandssitzung wollte sich die Bundesbank am Dienstag nicht äußern. Ob Sarrazin dazu vergattert wurde, sich aus politischen Themen künftig herauszuhalten, muss also die Praxis erweisen. Aus Erfahrung lässt sich bestenfalls festhalten, dass Sarrazin immer gesagt hat, was er gedacht hat. Jedenfalls, solange er in Berlin gelebt und gearbeitet hat.

Da hat er den dortigen Hartz-IV-Empfängern bei Gelegenheit empfohlen, im Winter die Heizung herunterzudrehen und zu Hause dicke Pullover anzuziehen. Oder er rechnete ihnen vor, dass ein Mittagessen nicht mehr als 1,15 Euro kosten müsse. Seine Ratschläge rundete der SPD-Politiker Sarrazin dann mit Bemerkungen ab wie: "Wenn man sich das anschaut, ist das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern das Untergewicht." Oder: "Ehe jetzt einer im 20. Stock sitzt und den ganzen Tag fernsieht, bin ich schon fast erleichtert, wenn er ein bisschen schwarzarbeitet." Die einen fanden das erfrischend, die anderen sprachen empört von Stammtischparolen. Dass immer ein gewisser Unterhaltungswert garantiert war, wenn Sarrazin den Mund aufmachte, stritt allerdings niemand ab. So ist Sarrazins Feststellung, Schüler in Bayern könnten ohne Abschluss mehr "als unsere mit Abschluss", in Berlin unvergessen.

Während Axel Weber gestern in Frankfurt am Main versuchte, Thilo Sarrazin kaltzustellen, trat in Hamburg unverhofft ein Mann zu seiner Verteidigung auf. Thilo Sarrazin beschreibe die Wirklichkeit so, "und nicht wie seit vielen Jahren von der politischen Korrektheit dargestellt", sagte der Schriftsteller und Publizist Ralph Giordano im Gespräch mit dem Mitteldeutschen Rundfunk. Giordano schränkte zwar ein, dass Sarrazin einige seiner "zugespitzten und aggressiven" Äußerungen "besser unterlassen hätte", fügte jedoch hinzu: "Er hat doch recht, wenn er sagt, 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung würden diesen Staat ablehnen und nichts Vernünftiges für die Ausbildung ihrer Kinder tun."

Auch der "Zentralrat der Ex-Muslime" hat die Maßregelung Sarrazins am Dienstag kritisiert. "Das ist das falsche Signal und hilft der Integration keineswegs", sagte die Zentralrats-Vorsitzende Mina Ahadi der "Leipziger Volkszeitung". Viele Zuwanderer, die vor Repressalien und Unfreiheit ihrer Heimatländer nach Deutschland geflohen seien, erlebten nun, "wie jede noch so kleine Kritik an Problemen mit Minderheiten zum Tabuthema wird".

Sarrazin gehört dem Bundesbank-Vorstand erst sei Mai an. Sein Vertrag läuft bis 2014. Ein Entlassungsgrund ist das "Lettre International"-Interview offenbar nicht, das sollen interne rechtliche Prüfungen ergeben haben, heißt es aus Frankfurt. Die Hürden seien dafür zu hoch.

So müsse das Vergehen des Kollegen so schwer sein, dass es bei einem Beamten "die Entfernung aus dem Dienst im Disziplinarverfahren" rechtfertige. Abgesehen davon werden die Mitglieder des Bundesbank-Vorstands vom Bundespräsidenten berufen, und sie können auch nur vom Bundespräsidenten entlassen werden.