Union und FDP streiten um die Krankenkassen und wie die Versicherten belastet werden können. Klar ist nur: Gesundheit wird immer teurer.

Berlin/Hamburg. Union und FDP haben ihre Beratungen darüber aufgenommen, wie sie das 7,5-Milliarden-Euro Defizit der Krankenversicherung decken und den Gesundheitsfonds umbauen wollen. „Wir müssen uns jetzt genau die verschiedenen Daten anschauen“, sagte CDU-Unterhändlern Ursula von der Leyen. Sie wird als Nachfolgerin der am Ende glücklosen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gehandelt. Von der Leyen und ihr FDP-Kollege Philipp Rösler – Arzt wie sie selbst – betonten, dass sie ohne Vorfestlegungen in die Koalitionsgespräche gingen.

Auf die Frage, ob die FDP an der Abschaffung des Gesundheitsfonds festhalte, sagte Rösler: „Sie haben gerade gehört, dass wir ohne Vorfestlegungen reingehen, das gilt für beide Seiten. Die Diskussion ist die Mutter aller Dinge.“ Einig sei man in dem Ziel, ein „robustes Gesundheitssystem“ zu schaffen. Die Menschen müssten wissen, dass ihr eingezahltes Geld auch für ihre Vorsorge und Versorgung zur Verfügung stehe.

Von der Leyen sagte: „Es gibt ein Finanzierungsproblem.“ Dies hänge aber nicht mit dem Gesundheitsfonds zusammen, sondern mit der Krise. Die Lohnsumme sinke, während die Ausgaben für Ärzte, Kliniken und die pharmazeutische Industrie gestiegen seien. „Deshalb ist es wichtig, dass wir uns jetzt gemeinsam genau die Zahlen anschauen, genau anschauen, wie die Sachlage ist und dann auch Lösungswege finden.“

Der Milliarden-Fehlbetrag ist nach Ansicht von Unions-Experten keine Folge des Fonds, den die FDP am liebsten abschaffen will. „Wer dies dem Fonds anlastet, greift zu kurz und verkennt schlichtweg die Realität“, sagte die hessische Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU) der Deutschen Presse-Agentur dpa. Sie ist Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit/Pflege und war acht Jahre lang hessische Sozialministerin. Grund für die steigenden Kosten seien höhere Ärztehonorare sowie Mehrkosten bei der Krankenhausbehandlung und nicht das System zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen an sich.

Um den Finanzkollaps des Gesundheitssystems abzuwenden, forderte der Chef des Ersatzkassenverbands VDEK, Thomas Ballast, Gesetzesänderungen. „Wenn am Gesetz nichts geändert wird, dann können die Kassen diese 7,5 Milliarden Euro nur über Zusatzbeiträge decken, die von den Versicherten allein zu finanzieren wären“, sagte er im WDR. „Die Regierung verhandelt und könnte das auch noch anders ausrichten.“ Ballast forderte stärker steigende Steuerzuschüsse und Änderungen beim geplanten Verfahren zum Erheben von Zusatzbeiträgen. „Denn die Einrichtung von zusätzlichen Beitragskonten für bis zu 70 Millionen Versicherte würde allein 500 Millionen (Euro) verschlingen.“

Man werde auch um Einsparungen bei Ärzten, Kliniken und Pharmafirmen nicht herumkommen, sagte Ballast. „Und wir meinen, dass, was dann noch an Deckungslücke übrigbleibt, nicht von den Versicherten oder sogar von den Kranken allein bezahlt werden sollte, sondern auch von den Arbeitgebern.“ Der Beitragssatz insgesamt müsse dann angehoben werden.

Dafür sprach sich auch der Chef der AOK-Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, aus. „Ich gehe davon aus, dass der aktuelle Beitragssatz nicht ausreichen wird“, sagte Jacobs der „Rheinischen Post“. Der Sozialverband VdK warnte Union und FDP vor weiteren einseitigen Belastungen der Versicherten. Zur Linderung der Finanznöte müssten die staatlichen Zuschüsse erhöht werden, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der „Frankfurter Rundschau“.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Linken, Frank Spieth, sagte: „Ohne eine gesetzliche Regulierung der Ausgaben werden die Kosten im Gesundheitssystem weiter dramatisch steigen. Die Zeche zahlen die Versicherten. Denn wegen der vielfältigen Wahlversprechen an Ärzte, Versicherungen und Pharmaindustrie ist mit einer Kostenkontrolle durch die neue Regierung nicht zu rechnen."