Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef warnt im Abendblatt vor “Ausschließeritis“. Steinmeier fürchtet einen Linksruck.

Hamburg/Berlin. "Schnelle, laute Reden" hatte Sigmar Gabriel unbedingt vermeiden wollen. Doch der Appell des designierten Parteichefs an die eigene Partei scherte das zukünftige SPD-Spitzenpersonal am Wochenende herzlich wenig. Die Sozialdemokraten streiten immer heftiger über ihren Kurs für die kommenden Oppositionsjahre. An vorderster Front: der neue Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Nachdem Steinmeier bereits in der Fraktion vor einem Linksruck und vor der Abkehr von der bisherigen Politik gewarnt hatte, wiederholte er seinen Mahnruf nun auch öffentlich. Wenn die SPD künftig nur noch die Interessen eines Teils der Gesellschaft vertrete, sinke sie zur "Klientelpartei" ab, schrieb Steinmeier in der "Welt am Sonntag". Dies sei der falsche Weg. "Die SPD muss Volkspartei bleiben."

Während Steinmeier versuchte, dem Richtungsstreit entgegenzuwirken, meldete sich erneut Klaus Wowereit zu Wort. Nach seiner Nominierung zum Parteivize forderte er die SPD auf, sich so schnell wie möglich auf Bundesebene der Linkspartei zu öffnen. "Es ist richtig, wenn die SPD sich auf ihrem Dresdner Parteitag Mitte November von dem Tabu trennt, wonach Koalitionen mit der Linkspartei im Bund für uns prinzipiell undenkbar sind. Das Tabu muss weg", sagte Wowereit dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Die Ablehnung einer Koalition mit der Linken auf Bundesebene "schadet der SPD erheblich".

Ergebnis der Landtagswahl 2009 in Schleswig-Holstein

Auch Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner sprach sich für einen normalen Umgang mit der Linkspartei aus. "Die Bundestagswahl war die letzte Wahl, bei der wir vorher etwas ausgeschlossen haben", sagte Stegner dem Abendblatt. "Man muss - wenn das Wahlergebnis es so verlangt - grundsätzlich mit der Linkspartei genauso zusammen arbeiten wie mit der FDP, die gegen Mindestlöhne ist. Das macht für mich keinen Unterschied." Er halte das permanente Fixieren auf andere Parteien für Unfug. Das SPD-Präsidiumsmitglied betonte: "Die Ausschließeritis nützt uns nichts. Nur kleine Parteien schielen permanent auf andere Parteien, aber nicht Volksparteien." Die SPD müsse nun vielmehr darüber diskutieren, wie sie die Nichtwähler, die Grünen-Wähler und die Linken-Wähler zurückgewinne. "Ich sehe darin keinen Linksruck", sagte Stegner.

Er warnte seine Partei zugleich davor, sich voreilig von den Reformen der Regierungsjahre verabschieden zu wollen. "Es kann keine Lösung sein, alles rückgängig zu machen oder mit der Linkspartei einen Wettbewerb um die höchste sozialpolitische Forderung zu veranstalten", so Stegner. Die SPD müsse eine Politik entwickeln, die die Menschen auch subjektiv gerecht fänden. Indirekt kritisierte Stegner jedoch die Rente mit 67: "Unsere Rentenpolitik ist noch nicht überzeugend. Wir sollten unterscheiden zwischen Menschen, die körperlich hart gearbeitet haben, und anderen Berufsgruppen. Hier müssen wir genauso nachbessern wie bei den prekären Beschäftigungsverhältnissen."

Angesichts des ausgebrochenen Richtungsstreits forderte Stegner die SPD zu mehr Zusammenhalt auf. "Wir müssen stärker miteinander arbeiten und uns nicht in Flügelkämpfen aneinander abarbeiten", sagte er und kündigte an, selbst weiterhin in den obersten Parteigremien daran mitwirken zu wollen: "Ich werde wieder für den Vorstand und das Präsidium der SPD kandidieren", so Stegner.

Noch-Arbeitsminister Olaf Scholz forderte ebenfalls einen verstärkten Zusammenhalt, insbesondere von der neuen Parteiführung. Scholz, der SPD-Vize und Landeschef in Hamburg werden soll, warnte Gabriel und die als Generalsekretärin vorgesehene Andrea Nahles davor, die eigenen Ideen und die eigene Karriere über die gemeinsame Lösung der Probleme der SPD zu stellen. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" riet Scholz der neuen SPD-Führung, "sich nicht zu wichtig zu nehmen". Die SPD stehe "vor einer Herausforderung, die wir nur bewältigen können, wenn wir zusammenhalten. Diese Einsicht gilt für Sigmar Gabriel genauso wie für Andrea Nahles und alle anderen."