Für den Göttinger Politologen Franz Walter zeigt das Wahlergebnis “einen dramatischen Vertrauensverlust“ für die SPD.

"Die SPD ist im Jahr 1893 angekommen. Damals, drei Jahre nach dem Sozialistengesetz, hatte sie 23,3 Prozent und war im Aufwind. Heute ist sie bei 23 Prozent und im Abwind", sagte er dem Abendblatt. Die frühere Anhängerschaft der Partei habe sich "in völlig verschiedene Lebenswelten aufgelöst". Die SPD repräsentiere längst nicht mehr das alte Arbeitermilieu, sondern Menschen, die in den vergangenen 20 Jahren in eine neue Mitte aufgestiegen seien. "Aber Millionen sind zurückgeblieben. Sie sind bitter enttäuscht, sie haben Hartz IV als Bedrohung und Disziplinierungsmaßnahme empfunden und setzen jetzt die SPD damit gleich." Ein Teil dieser Ex-Wähler sei jetzt bei der Linken, "für einen anderen wurde der Verdruss über die SPD zum Verdruss über das gesamte politische System".

Ein Erneuerungs- oder Verjüngungsprozess der SPD sei schwer. "Man wird demnächst viel von Nahles, Wowereit oder Gabriel reden. Aber an den regionalen Wurzeln der SPD ist über Jahre zu vieles verdorrt. Die jungen Talente sind einfach noch nicht da."