Die niedrigste Wahlbeteiligung seit 1949 hängt nach Meinung des Chemnitzer Politologen Eckhard Jesse auch mit dem “Wohlfühlwahlkampf“ zusammen.

"Der Wahlkampf von Kanzlerin Angela Merkel bestand darin, dass sie keinen Wahlkampf gemacht hat", sagte er dem Abendblatt. "Die Strategie ist zwar für sie einigermaßen aufgegangen. Aber die Bürger wollen auch Alternativen sehen, die die großen Parteien kaum geboten haben." Darunter habe vor allem die SPD gelitten. "Es gab nur die beiden Möglichkeiten Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot. Da viele auf keinen Fall erneut eine Große Koalition wollten, sind SPD-Wähler zu Hause geblieben", sagt Jesse. Er sagt voraus, dass ein Lagerwahlkampf zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün die Wahlbeteiligung auf jeden Fall wieder anheben wird.

Überraschend ist für Jesse, dass die beiden großen Volksparteien deutlich weniger Stimmen als bei der ersten Bundestagswahl 1949 haben. Er meint: "Die Volksparteien sind in einer Krise, weil sie gemeinsam in einer Regierung waren und weil es ihnen immer schwerfällt, eigene Interessen herauszustellen." Kleinere Parteien hätten es inzwischen leichter, weil sie präzise Forderungen erheben.