SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier spricht von “Zuversicht“. Seine Körperhaltung sagte gestern etwas anderes.

Berlin. Die Hoffnungen der Sozialdemokraten auf eine Ampelkoalition sind zwar seit Sonntag gründlich abgeschaltet, aber im Berliner Willy-Brandt-Haus wollte man das gestern nicht wahrhaben. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zog die Absage der FDP an ein rot-gelb-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl erneut in Zweifel. Und überhaupt befinde sich Schwarz-Gelb "auf dem absteigenden Ast".

Auch Parteichef Franz Müntefering mochte sich noch nicht geschlagen geben. Er bezeichnete die Koalitionsaussage der Liberalen zugunsten der Union als "Versuch, das Land in Lager zu spalten", und fügte hinzu, die SPD werde bis zur Wahl "keine Minute nachlassen"; am Sonntag gehe es darum, "so weit wie möglich vorne zu sein". Seinen alten Lieblingssatz, die SPD spiele "auf Sieg und nicht auf Platz", hat der SPD-Vorsitzende inzwischen eingemottet.

Auch Steinmeier wirkte erstmals etwas resigniert. Er sprach zwar mehrfach von seiner "Zuversicht" und davon, dass er "Rückenwind" verspüre. Seine Körperhaltung sagte etwas anderes. Erst recht, als einer der Journalisten mitleidlos feststellte, der Kanzlerkandidat sei jetzt ja wohl nur noch ein Vizekanzler-Kandidat. Da hatte der stets verbindliche Frank-Walter Steinmeier einen winzigen Moment Mühe, die Contenance zu wahren.

Während die Atmosphäre in der SPD-Zentrale also etwas gereizt wirkte - sowohl Steinmeier als auch Müntefering ritten noch ausführlich auf den aus ihrer Sicht "unfairen" Überhangmandaten herum, über die in diesen Tagen viel spekuliert wird -, gab man sich im Konrad-Adenauer-Haus schon siegessicher. Durch die Absage der FDP an eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen sei klar, dass Steinmeier keine Chance mehr habe, Kanzler zu werden, verkündete CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Damit bleibe das Bündnis aus Union und FDP die einzige "politische Konstellation für stabile politische Verhältnisse". Die "instabile Variante" sei die Neuauflage von Schwarz-Rot. Dann sei es nur eine Frage von Monaten, bis die SPD ausschere und eine Koalition mit Grünen und Linken eingehe.


Noch optimistischer als Pofalla gab sich gestern Guido Westerwelle. Bei der Debatte um die Überhangmandate handele es sich um ein "virtuelles Problem", meinte der FDP-Vorsitzende in Berlin und dass er jetzt schon "ahne", dass es am 27. September "eine sehr klare Mehrheit" für Union und Liberale geben werde: "Die Mehrheit wird größer sein, als mancher im Augenblick denkt!" Westerwelle erinnerte die Sozialdemokraten daran, dass sie 1998, 2002 und 2005 deutlicher als die Union von den Überhangmandaten profitiert hätten.


Auch in der Linkspartei schaute man etwas verwundert auf die SPD. Steinmeier mache sich "lächerlich mit seiner Anbiederung an die FDP", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Klaus Ernst. Und seine Kollegin Katja Kipping meinte in der "B.Z.", die Linkspartei könne eine rot-grüne Minderheitsregierung tolerieren und SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier mit ihren Stimmen zum Kanzler wählen - vorausgesetzt, die SPD holt die Bundeswehr aus Afghanistan heim, schafft Hartz IV und die Rente mit 67 ab und führt flächendeckende Mindestlöhne ein. Bei den Grünen herrschte hinsichtlich der FDP-Entscheidung noch Skepsis. Man müsse abwarten, was die Liberalen täten, wenn sie ihr Wahlziel verfehlten, meinte Spitzenkandidatin Renate Künast. Und Jürgen Trittin meinte, wenn aus Schwarz-Gelb nichts werde und es bei den Liberalen "ratzfatz" auf die Opposition zulaufe, werde man weitersehen.