Spezialarzneien, die kaum Fortschritt bringen, sind immens teuer. Im Ausland sind dieselben Pillen oft günstiger.

Berlin. Krebsmedikamente, Impfstoffe und andere Spezialarzneien sorgen für weiter steigende Kosten im Gesundheitswesen. Die Krankenkassen verbuchen einen Anstieg von 5,3 Prozent auf 29,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr – der Ausgabenblock mit den höchsten Zuwachsraten. Das belegt der Arzneiverordnungs-Report 2009. Zusätzlich werden 1,5 Milliarden Euro für Impfstoffe ausgegeben. Der Report-Mitherausgeber Ulrich Schwabe forderte, dass die Politik die Kosten begrenzt. Es solle deshalb in Zukunft zentrale Preisverhandlungen mit der Pharmaindustrie geben.

Internationale Preisvergleiche zeigten für Deutschland Sparmöglichkeiten von mindestens 6,1 Milliarden Euro, sagte Schwabe. Dies macht rechnerisch 0,6 Beitragssatz-Punkte für Kassenversicherte aus. Zwar gehe ein Großteil des Kostenanstiegs auf therapeutisch wichtige neue Mittel etwa gegen Krebs zurück. „Trotzdem sind neue Arzneimittel in Deutschland weiterhin erheblich teuerer als in anderen Ländern.“ So koste beispielsweise die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs hierzulande ohne erkennbaren Grund 477 Euro – 163 Euro mehr als in der Schweiz.

Als weiteren Kostentreiber macht der Report teure Präparate aus, die ohne weiteres durch ähnliche, aber günstigere Medikamente ersetzt werden könnten. Allein damit ließen sich 1,7 Milliarden Euro zugunsten der Beitragszahler sparen. Beispielhaft nannte Schwabe den Cholesterinsenker Inegy, der 13-mal teurer sei als eine Standardtherapie. Derzeit prüfe der Gemeinsame Bundesausschuss, ob das Mittel weiter auf Kassenkosten verordnet werden darf.

Nur bei den Nachahmer-Medikamenten (Generika) seien gesetzliche Kostenbremsen einigermaßen erfolgreich gewesen. Schwabe kritisierte allerdings Prämien für die Apotheker bei diesen Mitteln. Die Sparmöglichkeiten von 1,1 Milliarden Euro bei den Generika würden durch die Rabattverträge der Kassen mit den Herstellern noch nicht einmal zu einem Drittel ausgenutzt.

Die Kosten-Dämpfungsbeschlüssen der Gesundheitsreform 2007 würden nur langsam umgesetzt. „Patentgeschützte Arzneimittel haben keine Preisgrenzen, obwohl bereits seit zweieinhalb Jahren Höchstbeträge möglich wären“, sagte er. Indirekt kritisierte er aber auch die jüngsten Reformen als unzureichend.

Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen, verlangt eine genaue Abwägung von Kosten und Nutzen sehr teurer Spezialpräparate, die zum Beispiel Krebspatienten nur wenige Tage zusätzliche Lebenszeit brächten. Eine Diskussion um Therapieziele sei dringend geboten, sagte Hansen. Außerdem gab er als Linie für seine eigenen Ärzte-Kollegen aus, einem Patienten möglichst nicht mehr als fünf verschiedene Präparate zu verschreiben. Die Erfahrung zeige, dass sonst die „Therapietreue“ schwinde – die Patienten lassen einzelne Pillen eigenmächtig weg. Teils würden sie aus Krankenhäusern mit bis zu 14 verschiedenen Medikamenten für einzelne Leiden entlassen, berichtete Hansen.