Ministerin Schmidt spricht von Preistreiberei und plant neue Hürden. Pharmabranche: Neue Medikamente kosten mehr.

Berlin/Hamburg. Mit einer vierten "Hürde" will Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) den dramatischen Anstieg der Kosten für Arzneimittel in Deutschland stoppen. Bislang gibt es drei Stufen, nach denen Pillen, Salben und Mixturen getestet werden, bevor der Patient sie von den Kassen erstattet bekommt: Sie müssen sicher sein, wirksam gegen die Krankheit, die Qualität muss gleichbleibend hoch sein.

Schmidt beklagte, "dass wir in Deutschland zu hohe Preise zahlen". Noch habe ihr Ministerium keine neuen Daumenschrauben gegen die Kostensteigerung parat, aber: "Der Gesetzgeber wird nicht zusehen, dass Preistreiberei geschieht." Die Ausgaben für Medikamente steigen doppelt so schnell wie die Gesamtausgaben im Gesundheitswesen.

Nach Schweizer Vorbild könnte ein Kosten-Nutzen-Vergleich als vierte Zulassungsvoraussetzung wirksam werden. Damit ließe sich von den Pharmafirmen Geld zurückholen, wenn neue Tabletten sich als überteuert herausstellen.

Für das kommende Jahr rechnen die Krankenkassen bei Arzneimitteln mit 6,6 Prozent Mehrausgaben (zwei Milliarden Euro). Das treibt die Kassenbeiträge weiter in die Höhe. Der Arzneiverordnungs-Report 2008 spekuliert, dass sich 5,6 Milliarden Euro einsparen ließen, wie die Autoren Ulrich Schwabe und Dieter Paffrath sagten. Schwabe sagte, neue und patentgeschützte Medikamente seien besonders teuer. Da falle es fast nicht ins Gewicht, dass die Nachahmerpräparate (Generika) durch den Wettbewerb sogar um 5,1 Prozent im Preis gefallen sind.

Die Pharmaindustrie schäumte: "Fakt ist, dass die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen seit Jahren steigen, während die Arzneimittelpreise seit Jahren sinken. Dahinter steht die Tatsache, dass der Bedarf an medikamentöser Therapie steigt", sagte Cornelia Yzer vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Der Verband Progenerika kritisierte am Bericht, dass die Autoren ein Sparvolumen von 3,4 Milliarden Euro bei Generika angeben, obwohl der ganze Umsatz der Nachahmerbranche bei nur 3,44 Milliarden liege. Mit dieser "Sternstunde der Arithmetik" hätten sich die Verfasser aus der seriösen Diskussion verabschiedet.

Seit Langem kritisieren mittelständische Pharmaunternehmen auch aus Norddeutschland die Rabattverträge zwischen Kassen und großen Pharmafirmen. Sie würden nicht offengelegt, und bei manchen Erkrankungen wirkten die Nachahmer nicht wie die Originalpillen. Was die Rabatte tatsächlich einsparen helfen, wüssten auch die Apothekerverbände (ABDA) gerne. Nach ABDA-Angaben hat das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut bei fünf Volkskrankheiten (Diabetes, Osteoporose, Depressionen, Herz-Kreislauf- und Magenerkrankungen) festgestellt: Die Zahl der abgegebenen Packungen nahm von 2005 bis 2007 um sechs Prozent pro Jahr zu, aber der Umsatz sank trotz Mehrwertsteuererhöhung um durchschnittlich ein Prozent. Das hieße, dass mehr geschluckt wird, die Pillen aber billiger wurden. Ministerin Schmidt wittert die alten Feinde: "Die vielen Lobbygruppen machen es nicht einfacher, klare Regelungen auf den Weg zu bringen."