Wie einfach wäre die Lage, wenn es wie in Frankreich ginge! Angela Merkel würde in einer Direktwahl machtvolle Präsidentin, ohne sogar eine Stichwahl bestehen zu müssen, mit einer Mehrheit, die Nicolas Sarkozy neidisch betrachten würde.

Die sofort darauf folgende Bundestagswahl erlaubte, dank Mehrheitswahlrecht, eine absolute Mehrheit der Union aus CDU/CSU. Die roten Wahlkreise zeitigten eine ziemlich machtlose parlamentarische SPD-Opposition, während gelbe, grüne, dunkelrote Abgeordnete kaum vorhanden wären!

Aber es ist ja in Deutschland anders. Die Große Koalition stellt sich zur Wahl. Man muss so tun, oft mit künstlich schrillen Tönen, als kämpfe man hart gegeneinander, obwohl man die Verantwortung zusammen trägt und gar nicht so schlecht zusammengearbeitet hat. Nur dass die Anklagen von beiden Seiten heftiger laufen als bisher. Die CDU sei nach links geglitten (behaupten CSU und FDP), die SPD nach rechts (meinen die Linke, viele Gewerkschaftler und andere). Angela Merkel weiterhin Kanzlerin? Die Wette ist nicht sehr riskant. Mit wem? Wird es für Schwarz-Gelb reichen? Wenn ja, mit einer FDP, die unbedingt der Schwanz sein will, der mit dem Hund wedelt, oder die, wie schon so oft auf Bundes- und Landesebene, vor dem Großen umfällt, sobald der Hunger nach Ministerien gestillt ist? Weiterhin Große Koalition? Arme SPD als Juniorpartner für vier weitere Jahre. Leider gibt es für sie kaum eine andere Regierungsmöglichkeit. Gewiss hat Lafontaine in Saarbrücken gezeigt, dass Rot-Rot-Grün möglich ist (dabei ist er hinter der SPD geblieben und kann also sein Ziel, wieder Herrscher an der Saar zu sein, nicht erreichen). Aber was in Saarbrücken und im Land Berlin möglich ist, ist in der Bundeshauptstadt ausgeschlossen. Rot-Rot würde für die SPD in Westdeutschland Wahlkatastrophen zeitigen.

Sollte man nicht eher die Spekulationen lassen und sich mit einer Zahl befassen, die als ermutigend oder als erschreckend gedeutet werden kann? Im August, vor jeder Bundestagswahl, stellt Allensbach die Frage, ob es eine Schicksalswahl sein werde. 2005 sagten 42 Nein und 47 Ja. 2009 sind es zwölf Prozent für Ja und 73 für Nein! Ermutigende Deutung: Die Bürger haben sich damit abgefunden, dass etwaige Regierungswechsel in der Demokratie eine Normalität sind. Entgegengesetzte, wahrscheinlichere Interpretation: "Ist doch völlig egal, wer regiert, sie können doch alle nichts ändern!"

Was ist denn in letzter Zeit geschehen oder eher nicht geschehen? Die Rettung von Opel ist mäßig gelungen. Die Prognose, die Zahl der Arbeitslosen werde unaufhaltsam steigen, wird von niemandem widerlegt. Ein Mann wird Chef eines großen Konzerns. Nach einem halben Jahr ist der Konkurs da. Während Tausende von neuen Arbeitslosen angekündigt sind, geht er mit fünfzehn Millionen in der Tasche. (Damit hätte man 500 Entlassenen eine Abfindung von je 30 000 Euro gewähren können). Die Kanzlerin findet das unschön. Aber wie machtlos steht sie doch da!

Machtlos den Banken gegenüber, die weitermachen wie vor der von ihnen verursachten weltweiten Krise. Nicht machtlos, aber ratlos in Afghanistan. Die Schadenfreude der Linken ist unerträglich, aber die Aussichtslosigkeit darf doch jeden Wähler erschrecken. Es war einmal anders: "Das Militärische muss sein, aber es geht noch mehr darum, Schulen zu bauen; die armen Einwohner mit Lebensmitteln zu versorgen, afghanische Ärzte, Lehrer, Beamte auszubilden." Ja, es war einmal ...

Keine Schicksalswahl? "Weil sich doch nichts ändern wird, bleiben wir am 27. September zu Hause oder stimmen wild oder geben unseren Wahlschein als enttäuschte, resignierte, parteien- und regierungsskeptische Bürger ab ..." Es kann noch anders kommen. Der Wahlkampf mag noch zugleich mutige und ermutigende Worte zeitigen.

Und die Medien könnten dich etwas mehr auf all das Geleistete hinweisen, das doch wirklich nicht unbedeutend ist!

Alfred Grosser (84) ist ein deutsch-französischer Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler.