Vor 70 Jahren überfiel Hitler-Deutschland den Nachbarn Polen. Kanzlerin Angela Merkel erinnert an die Millionen Opfer.

Hamburg/Danzig. 4:45 Uhr – diese Uhrzeit hat sich in das Gedächtnis der Menschheit eingebrannt. Vor siebzig Jahren, am 1. September 1939, begann um 4:45 Uhr der Zweite Weltkrieg. Hitler-Deutschland überfiel Polen und startete eine bis dato beispiellose Angriffswelle, die im Tod von Millionen Menschen, dem systematischen Völkermord an sechs Millionen Juden, Vertreibung, gewaltigen Zerstörungen rund um den Erdball und in einer neuen Weltordnung mündete.

Obwohl eine deutsche Einheit schon Tage zuvor auf polnisches Gebiet vorgedrungen war, begann erst mit der ersten Salve des deutschen Kriegsschiffes „Schleswig-Holstein“ auf die Westerplatte, einer Halbinsel bei Danzig, der Krieg.

Mit einer Zeremonie auf der Danziger Westerplatte wurden am Dienstagmorgen auch die Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag eröffnet. Der polnische Präsident Lech Kaczynski würdigte „alle Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg gegen Nazi-Deutschland und den bolschewistischen Totalitarismus gekämpft haben. Die Westerplatte ist ein Symbol, ein Symbol des heroischen Kampfes der Schwachen gegen die Stärkeren.“ Ministerpräsident Donald Tusk warnte davor, die Lehren des Krieges zu vergessen. „Wir sind hier zusammengekommen, um daran zu erinnern, wer den Krieg begonnen hat, wer der Schuldige war, wer der Henker in dem Krieg war und wer das Opfer der Aggression war“, sagte Tusk.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt am Nachmittag mit anderen europäischen Regierungschefs an einer Gedenkfeier teil. Darunter sind auch der russische Ministerpräsident Wladimir Putin, der französische Premierminister François Fillon und der britische Außenminister David Miliband. Merkel sagte in der ARD: „Wir werden Ursache und Wirkung niemals verkehren.“ Der deutsche Überfall auf Polen sei die Ursache für die millionenfachen Tode von Soldaten und Zivilisten im Zweiten Weltkrieg gewesen. „Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Wir haben unendliches Leid über die Welt gebracht“. Der Krieg habe über 60 Millionen Todesopfer gefordert.

„Dennoch ist auch die Vertreibung von weit über zwölf Millionen Menschen aus den Gebieten des ehemaligen Deutschlands und heutigen Polens natürlich ein Unrecht, und auch das muss benannt werden“, sagte Merkel.

Mit minutenlangem Heulen der Hafensirenen wurde auf der Westerplatte gegen 4:45 Uhr das Gedenken begonnen. Polens Präsident Lech Kaczynski erinnerte noch einmal daran, dass auch die sowjetische Rote Armee am 17. September 1939 in Ostpolen einmarschierte. „An diesem Tag hat Polen einen Messerstich in den Rücken erhalten“, sagte Kaczynski. Diesen Stich habe das bolschewistische Russland (den Polen) versetzt. Er verwies auf den Hitler-Stalin-Pakt als Ursache der Aggression.

Kaczynski verglich den Mord an polnischen Offizieren in Katyn mit dem Holocaust. Es gebe einen Vergleich zwischen diesen Verbrechen, obwohl ihr Ausmaß sehr verschieden gewesen sei: „Juden starben, weil sie Juden waren. Polnische Offiziere starben, weil sie polnische Offiziere waren“, sagte der Präsident. Im Wald von Katyn und an zwei anderen Orten hatte der sowjetische Geheimdienst rund 15 000 polnische Offiziere ermordet.

Am 1. September stieß das deutsche Heer in zwei Angriffskeilen mit rund 1,5 Millionen Soldaten Richtung Warschau vor. Zusätzlich wurden schwere Luftangriffe geflogen. Bis zum 6. Oktober wurde die polnische Armee von der seit Jahren technisch hoch gerüsteten Wehrmacht geschlagen.