Die Bundeskanzlerin mahnt Russlands Präsidenten. Doch wie groß ist Angela Merkels Einfluss? Dmitri Medwedew wird sich in der Kaukasus-Politik vermutlich nicht reinreden lassen.

Berlin/Sotschi. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew nach den Morden an Menschenrechtlern aufgefordert, sich intensiv um die Verfolgung der Täter zu kümmern. Kurz vor ihrem Treffen mit Medwedew am Freitagmittag in Sotschi am Schwarzen Meer sagte Merkel bei einer Veranstaltung des Deutschlandradios Kultur, sie wisse, dass Medwedew Menschenrechtsfragen ernst nehme. Es müssten aber auch Taten folgen. Dazu gehöre eine ernsthafte Strafverfolgung. Merkel hatte den russischen Präsidenten zuletzt Mitte Juli bei einem Besuch Medwedews in Oberschleißheim bei München getroffen.

Merkel nannte die jüngsten Morde an Mitarbeitern von Hilfsorganisationen in Tschetschenien inakzeptabel. Sie will das Thema Menschenrechte auch bei ihrem Treffen mit Medwedew ansprechen. In den vergangenen vier Wochen waren im Nordkaukasus die russische Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa und später die Bürgerrechtlerin Sarema Sadulajewa und ihr Mann umgebracht worden. Menschenrechtsgruppen und Politiker anderer Parteien hatten von der Kanzlerin klare Worte gefordert.

„Frau Merkel muss sehr dezidiert Taten einfordern“, hatte die Expertin von Amnesty International, Imke Dierßen, der dpa gesagt. „Man muss den Eindruck haben, dass der Kreml und die tschetschenischen Behörden solche Morde mindestens hinnehmen.“ Dies müsse Merkel auch deutlich sagen. „Herr Medwedew muss sicherstellen, und das ist ihm offenbar nicht gelungen, dass derartige Morde in Zukunft nicht mehr stattfinden“, sagte Dierßen. Medwedew habe die Morde verurteilt, Ermittlungen angekündigt und die Arbeit der Menschenrechtler gewürdigt. Die Worte allein reichten aber nicht.

Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion muss Merkel in Russland beweisen, dass sie dort Einfluss hat. SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow sagte, Medwedew müsse die Frage beantworten, ob Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow politisch noch tragbar sei. Die Organisation Reporter ohne Grenzen bat Merkel, sie solle „über die schwierige Lage für Journalisten und Medien“ in Russland sprechen.

Merkel trifft mit Medwedew in dessen Sommerresidenz im Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014 zusammen. Dabei wollen die beiden auch über die Sicherheit von Energielieferungen aus Russland, die Vorbereitung des G20-Treffens in den USA und die Atomprogramme von Iran und Nordkorea sprechen. Außerdem geht es um die mögliche Übernahme der insolventen Wadan-Werften in Mecklenburg-Vorpommern durch das Gazprom-Aufsichtsratsmitglied Igor Jussufow. Er hatte angeboten, mit seinem Sohn Witali mit 40,5 Millionen Euro bei Wadan einzusteigen und bis zu 1600 der rund 2500 Arbeitsplätze zu erhalten.

Unterdessen sind in der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus bei Feuergefechten zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Rebellen mindestens sechs Menschen getötet worden. Sondereinheiten des Innenministeriums wollten gegen die in einem Gebäude verschanzten Untergrundkämpfer vorgehen, als beide Seite aufeinander schossen. Das teilten die Behörden in der Konfliktregion nach Angaben der Agentur Interfax mit. Bei dem Einsatz am Donnerstagabend starben vier Milizionäre und zwei islamistische Rebellen. In der russischen Teilrepublik Dagestan wurden am Donnerstagabend mindestens 14 Menschen getötet, darunter vier Polizisten, drei mutmaßliche Untergrundkämpfer sowie sieben junge Frauen.