Arbeitsminister nennt Bankenvorschlag “Quatsch“. Sozialexperten halten erneute Diskussion jedoch für notwendig.

Berlin/Hamburg. Als die Bundesbank im April 2008 in ihrem damaligen Monatsbericht die Anhebung des Rentenalters auf 68,5 Jahre empfahl, hielt sich die Aufregung in Grenzen. Der Vorstoß erntete weder viel Applaus, noch stieß er auf schroffe Ablehnung.

Ganz anders das jetzige Bild: Diesmal fordert die Bundesbank eine Rentenerhöhung auf 69 Jahre - und löst damit einen Proteststurm aus. Prominentester Kritiker der Idee ist Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD). "Das ist Quatsch", sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Es wäre schon viel gewonnen, wenn nicht ständig neue unsinnige Vorschläge das Licht der Welt erblicken würden." FDP, Grüne und die Linkspartei sprachen sich gegen den Vorschlag aus.

In dem am Montag veröffentlichten Monatsbericht hatte die Bundesbank einen Zeitraum bis 2060 für die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters genannt. Sie beruft sich auf neuere demografische Annahmen, etwa der EU-Kommission. Die Anhebung sei "eine geeignete Maßnahme, wenn die Rentenphase in Relation zur Erwerbsphase nicht stetig zunehmen soll", so der Bericht. Ansonsten würden Ausgaben und Beiträge wegen der höheren Lebenserwartung kontinuierlich steigen. Die Große Koalition hatte 2007 eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bis 2029 beschlossen.

Einige Sozialexperten wie der Freiburger Wissenschaftler Bernd Raffelhüschen begrüßten die Bundesbank-Idee. "Im Kern geht es um die Frage, ob und wie sich die Gesellschaft auf eine steigende Langlebigkeit der Bevölkerung einstellt", sagte Raffelhüschen dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Diese Debatte sei richtig, "weil sie notwendig ist". Mit der beschlossenen Erhöhung des Renteneintrittsalters sei die steigende Lebenserwartung eingerechnet worden. "Es ist durchaus möglich, dass 2040 weitere Anpassungen erforderlich sind." Auch der Ex-Wirtschaftsweise und Rentenexperte Bert Rürup lobte den Vorschlag der Bundesbank. "Das ist lediglich eine verdienstvolle Modellrechnung", sagte Rürup der Nachrichtenagentur Reuters. "Aber aktuelle politische Konsequenzen kann und sollte man daraus nicht ableiten." Die Bundesbank habe zeigen wollen, wie stark sich die steigende Lebenserwartung auf das Rentensystem auswirke.

Dagegen sagte der Chef der Gewerkschaft IG BAU, Klaus Wiesehügel, die Bundesbanker sollten mal auf eine Baustelle kommen und Zementsäcke und Steine schleppen. "Am Schreibtisch in der Bundesbank kann man es vielleicht bis 69 aushalten, auf der Baustelle ist die Vorstellung grotesk."

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte die Bundesbank, die Bürger nicht zu verunsichern. "Die Bundesbank-Forderung geht an der Lebenswirklichkeit total vorbei", sagte er der "Berliner Zeitung" und schlug einen flexiblen Übergang in den Ruhestand vor. Ab dem 60. Lebensjahr sollten die Versicherten Zeitpunkt und Umfang ihres Renteneintritts bei versicherungsmathematisch korrekten Zu- und Abschlägen selbst wählen können.

Auch die Spitzenkandidatin der Grünen, Renate Künast, kritisierte die Bundesbank: "Spekulationen über die Höhe des Rentenalters in fünfzig Jahren sollte die Bundesbank tunlichst unterlassen. Sie schaffen nur zusätzliche Verunsicherung." Linksfraktionschef Oskar Lafontaine erklärte, der Vorschlag laufe auf eine erneute Rentenkürzung hinaus. "Die Linke lehnt den Vorstoß der Bundesbank ab." Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach von einem "schlechten Scherz im Sommerloch".