Linke und Grüne fordern ein Ende der Mission. Der Generalinspekteur will offensiver gegen Taliban vorgehen.

Hamburg/Berlin. Als die Särge mit den sterblichen Überresten der drei in Afghanistan getöteten deutschen Soldaten am Wochenende in der Heimat eintrafen, flammte bei den Parteien eine politische Debatte über den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch erneut auf. Am Donnerstag steht eine Entscheidung im Bundestag über ein weiteres Mandat an: Es geht um bis zu 300 zusätzliche Soldaten für den Einsatz der Awacs-Überwachungsflugzeuge der Nato.

Während der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer eine "Exit"-Strategie forderte und sowohl der Grünen-Vizefraktionschef Hans-Christian Ströbele als auch Linke-Fraktionschef Gregor Gysi in der "sonntaz" einen sofortigen Abzug verlangten, sagte der frühere SPD-Verteidigungsminister Peter Struck ("Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt"), er sehe auf absehbare Zeit keine Möglichkeit für eine Beendigung der deutschen Afghanistan-Mission. "Ich befürchte, das kann noch zehn Jahre dauern", sagte Struck dem "Spiegel". Auch er räumte ein, dass die Erwartungen an den Afghanistan-Einsatz "deutlich heruntergefahren" werden müssten. "Ich sehe aber keinen Grund, jetzt aufzugeben, und zu sagen: Es tut mir leid, die über 30 deutschen Soldaten sind leider umsonst gestorben - wir gehen raus", meinte der SPD-Fraktionschef. Struck plädierte für einen Dialog auch mit gemäßigten Kräften innerhalb der radikalislamischen Taliban-Milizen. Der Bundeskanzlerin warf er indirekt vor, dafür verantwortlich zu sein, dass der Einsatz der Bundeswehr in der deutschen Öffentlichkeit kaum Unterstützung findet: "Frau Merkel muss klarstellen, dass die Soldaten in Afghanistan jeden Tag ihr Leben riskieren, weil wir sie dorthin geschickt haben."

In Umfragen sprechen sich seit Jahren regelmäßig zwei Drittel der Deutschen gegen den Einsatz deutscher Soldaten am Hindukusch aus. Ramsauer sagte der "Bild am Sonntag", die deutschen Soldaten sollten "nicht einen Tag länger in Afghanistan bleiben als unbedingt nötig". Es geht um "saubere Kriterien, wann der jeweilige Einsatz erfüllt und stufenweise beendet werden kann". Vorbild für einen Ausstieg der Bundeswehr könne der "geordnete und schrittweise Rückzug aus dem Kosovo sein", sagte der CSU-Politiker.

Ramsauer hatte bereits vor einem knappen dreiviertel Jahr von der Bundeskanzlerin ein Szenario für einen schnellen Abzug aus Afghanistan gefordert. Er hatte betont, Auslandseinsätze der Bundeswehr seien niemals beliebt. "Es wird umso kürzer werden, je mehr wir uns klarmachen, dass die Probleme in Afghanistan niemals allein militärisch zu lösen sind", hatte Ramsauer damals gesagt.

Eine im "Spiegel" veröffentlichte TNS-Umfrage hatte bereits im Oktober ergeben, dass nur noch 30 Prozent der Deutschen die Afghanistan-Mission der Bundeswehr als "humanitären Einsatz" beurteilten. 57 Prozent werteten sie damals schon als "Kriegseinsatz". Nach der Verschärfung der Kampflage und dem Tod weiterer deutscher Soldaten dürfte sich dieser Prozentsatz aktuell noch deutlich erhöht haben. Doch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) beharrt darauf, dass die Bundeswehr sich nicht im Krieg befinde. Der Minister sagte der "Super Illu", bei "840 Aufbauprojekten in unserem Verantwortungsbereich im Norden sehen die Menschen, dass es vorangeht". Für Afghanistan sei die Chance auf einen "Frieden in Wohlstand" gegeben. Ströbele dagegen: "Wir brauchen eine Ausstiegsstrategie statt Leugnung des Krieges oder gar Durchhalteparolen."

Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan beklagte sich indessen nach Informationen des "Focus" über die "sehr restriktive Auslegung" der Rechtslage bezüglich des Waffen-Einsatzes der Bundeswehr. Schneiderhan soll im militärischen Führungsrat gesagt haben, die deutschen Soldaten sollten aktiv gegen Aufständische vorgehen können, "um nicht immer auf die Schlachtbank geführt zu werden". Gegenwärtig dürfen die Deutschen nur in Selbstverteidigung schießen.