Während Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) politisch große Unterstützung für ihren Vorstoß erhält, kinderpornografische Seiten...

Hamburg/Berlin. Während Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) politisch große Unterstützung für ihren Vorstoß erhält, kinderpornografische Seiten gesetzlich im Internet sperren zu lassen , verhält sich die Internetbranche zurückhaltend. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft Eco lehnt eine gesetzliche Regelung ganz ab. "Wir sind dagegen", sagte Eco-Vorstand Oliver Süme dem Abendblatt. Der Vorschlag der Ministerin höre sich zwar nach einer Musterlösung an, doch allein die technische Umsetzung sei nicht machbar.

Von der Leyen hatte zuvor in einem Abendblatt-Interview angekündigt, das Telemediengesetz zu ändern, um die Zugangsanbieter zu einer Sperrung bestimmter Seiten zu verpflichten. Damit würden nur "Scheinerfolge" erzielt, kritisiert Süme. Werde eine Internetseite gesperrt, so wechselten die Täter schnell die Adresse. "Sie ziehen auf einen anderen Server um, und alles, was wir erreichen, ist, dass die kinderpornografischen Inhalte auf anderen Servern verfügbar sind", sagte er dem Abendblatt. "Die Täter erreichen wir nicht." Der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder, argumentierte in die gleiche Richtung: "Solche Sperrungen sind für Menschen mit krimineller Energie immer umgehbar."

Außerdem könnten von den Sperrungen aus technischen Gründen auch saubere Seiten betroffen sein. Das sei eine der Herausforderungen bei der Umsetzung des Gesetzes. Ralf Sauer-Zapf, Pressesprecher von T-Home, warnt sogar: "Wer den Zugang zu all diesen Seiten sperrt, muss Schadenersatz zahlen."

Im Bundesfamilienministerium sieht man dies allerdings gelassen. Eine entsprechende Regelung, die seit 2003 in Großbritannien in Kraft ist, habe gezeigt, dass es in diesem Bereich mit einer entsprechenden Software keine Probleme mehr gibt.

Von politischer Seite hingegen erhielt von der Leyen viel Beifall. "Das sollte besser gestern als heute geschehen", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, gestern dem Abendblatt. Auch die oppositionelle FDP sicherte der Ministerin Rückendeckung zu. "Die FDP unterstützt alles, was dazu führt, dass Kinderpornografie reduziert wird", sagte Ina Lenke, familienpolitische Sprecherin der FDP. Für Wiefelspütz ist klar: "Wenn man dazu nationale Gesetze braucht, dann sollten wir sie so rasch wie möglich machen." Eco will hingegen weiterhin auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Branche setzen, die aber nach Ansicht der Ministerin nicht genug bewegt hatte. Eco und der Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V. (FSM) unterhalten eine international vernetzte Internet-Beschwerdestelle, über die nach Eco-Angaben im ersten Halbjahr 2008 an die Polizei 250 Fälle von Kinderpornografie im Internet weitergeleitet wurden. Die Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA) sei sehr eng, so Süme. Heute soll es zu dem Thema ein Treffen in Wiesbaden geben. Zu Inhalt und Teilnehmern wollte er sich nicht äußern.

BKA-Präsident Jörg Ziercke fordert seit Langem eine Sperrung von kinderpornografischen Internetseiten, wie Ursula von der Leyen sie jetzt verwirklichen will. Wiefelspütz sind die freiwilligen Anstrengungen zu wenig. "Die Zeit der Freiwilligkeit ist zu Ende", sagte er. "Wenn die Branche nicht in der Lage ist, selber zu reagieren, dann wird sie reagiert." Nach seiner Ansicht gibt es kein legitimes Interesse, "solche Inhalten auf Servern bereitzustellen". Die Internet-Branche müsste selbst das Interesse haben, sauber zu sein. "Es kann nicht sein, dass das Internet ein rechtsfreier Raum ist", sagte Wiefelspütz. "Auch dort müssen Gesetze eingehalten werden. Man darf im realen Leben keine Kinderpornos verkaufen und auch nicht im Internet." Dennoch halten Teile der Internet-Gemeinde diese geplante gesetzliche Regelung für überflüssig. Ein HeCaRe wettert im Online-Portal heise.de: "Die Bevormundung der Bürger schreitet weiter fort. Ich will nicht die Kinderpornografie erlauben, aber ich finde es unerträglich, dass irgendein Angestellter im BKA bestimmt, was ich sehen darf und was nicht." Sys3 schimpft: "Aufbau einer Zensur-Infrastruktur."

Welche Dimensionen die Kinderpornografie im Internet hat, zeigt eine Zahl, die die Berliner Polizei gestern veröffentlichte. Mit der "Operation Himmel" wurde eine der größten Polizeiaktionen abgeschlossen: Bundesweit hatten 12 750 Internetnutzer 2006 Kinderpornos im Internet angesehen. 187 Verdächtige leben in Hamburg.