Dramatischer Appell von EU-Industriekommissar Günter Verheugen im Abendblatt-Interview.

Hamburg/Brüssel. Hamburger Abendblatt:

Opel bittet den Staat um Milliardenhilfe. Wie dramatisch ist die Lage der deutschen Autoindustrie?

Günter Verheugen:

Ich bin sehr, sehr besorgt. Wir reden ja nicht nur über eine Industrie in einem Land, sondern über eine ganze Wertschöpfungskette mit Millionen von Arbeitsplätzen in ganz Europa.



Abendblatt:

Was muss beim Gipfeltreffen an diesem Montag im Bundeskanzleramt herauskommen?

Verheugen:

Das Opel-Problem ist durch die Konzernmutter in den USA entstanden. Es gibt also nicht nur Klärungsbedarf in Deutschland, sondern auch mit den Amerikanern. Deshalb rechne ich nicht damit, dass am Montag alles geregelt werden kann. Eins aber ist klar für mich: Wir dürfen Opel nicht verlieren.



Abendblatt:

Bundeswirtschafts-minister Glos ist gegen ein groß angelegtes Rettungspaket für die Autoindustrie. Er fürchtet, dass dann auch andere Bran-chen staatliche Hilfen einfordern ...

Verheugen:

Unsere Industriepolitik ist nicht auf Subventionen ausgerichtet, und das muss auch so bleiben. Ich sehe auch nirgendwo eine Branche, die nach Subventionen schreit. Worum es heute geht, ist die Bewältigung einer Krise, in die ein europäischer Hersteller trotz großer Investitionen in umweltfreundliche Autos, trotz innovativer Produkte geraten ist. Fragen Sie die Mitarbeiter von Opel! Die wissen, was sie erarbeiten: gute, wettbewerbsfähige, zukunftsfähige Autos.



Abendblatt:

Der Staat kommt also nicht in die Lage, die wegbrechende Nachfrage der Konsumenten zu ersetzen?

Verheugen:

Das kann der Staat nicht, das ist auch nicht die Aufgabe eines Staates in der Marktwirtschaft. Er kann und muss sich aber darum kümmern, dass Produkte bezahlbar bleiben und dass Menschen genügend in der Tasche haben, um auch konsumieren zu können. Um bei den Autos zu bleiben: Unser Gesetzgebungspaket zu Autos und CO2 muss nun vernünftig auf den Weg gebracht werden, sodass Autos bezahlbar bleiben, umweltfreundlich sind und die Hersteller nicht in den Ruin getrieben werden.



Abendblatt:

Sind Staaten überhaupt in der Lage, die Folgen der Finanzkrise einzudämmen?

Verheugen:

Ja. G20 hat es überzeugend belegt, dass die Politik sich energisch der Krise entgegenstellt. Ein globaler politischer Damm ist gebaut worden.



Abendblatt:

Sie werten den Weltfinanzgipfel als Erfolg?

Verheugen:

Ich kann allen, die in Washington dabei waren, nur gratulieren. Das Ergebnis reicht weit über die Erwartungen hinaus.