Zukunft der Bahn wird zum Verwirrspiel. Kanzleramtsminister bestreitet Beschluss der Ministerrunde zur Absage des Bahn-Börsengangs.

Berlin/Hamburg. Eigentlich war Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) zufrieden mit diesem Tag. Seine Ministerkollegen Peer Steinbrück (Finanzen) und Michael Glos (Wirtschaft) stärkten ihm gestern Morgen den Rücken. Auch sie lehnten die umstrittenen Bonuszahlungen für die Bahnvorstände im Falle des Börsengangs ab und sagten nach Angaben von Tiefensee sogar den Börsengang für das nächste Jahr ab. "Die (Bonus-)Zahlungen gibt es deshalb nicht, weil es keinen Börsengang gibt", sagte Tiefensee zufrieden, nachdem er am Nachmittag auch die zweistündige Befragung der Parlamentarier im Verkehrsausschuss überstanden hatte. Am Abend jedoch verdarb ihm der Kanzleramtsminister Thomas de Maizière die gute Laune. "Für die gesamte Bundesregierung" widersprach er der Darstellung, dass der Börsengang der Bahn auf keinen Fall mehr vor der nächsten Wahl im September 2009 stattfindet. Offenbar hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel eingegriffen. Verliert der umstrittene Verkehrsminister nun doch ihre Unterstützung?

Nach Abendblatt-Informationen hatte Tiefensee auch zunächst überrascht reagiert, als in der Ausschusssitzung die Nachricht von der Absage des Börsengangs die Runde machte. Später sagte Tiefensee, der Entschluss sei schon morgens unter den Ministern gefallen. In der Ausschusssitzung fasste er sich schnell und erklärte: "Was der Regierungssprecher sagt, ist richtig." Die Mitteilung von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm war eindeutig gewesen: Die Bundesregierung wolle "kein Vermögen hier verschleudern". Daher müsse abgewartet werden, "dass das Umfeld für einen Börsengang eine vernünftige Erlössituation erwarten" lasse. Dies sei aufgrund der ungünstigen Lage an den Finanzmärkten auf absehbare Zeit nicht zu erkennen. De Maizière teilte dazu aber mit: "Es gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben." Sollte sich die Situation an den Kapitalmärkten verbessern, könnte der Börsengang noch in dieser Legislaturperiode stattfinden.

Für den in Erklärungsnot geratenen Minister Tiefensee war die Aussage des Regierungssprechers vom Nachmittag ein Geschenk des Himmels gewesen. "Die Diskussion darüber, wann Herr Tiefensee von den vereinbarten Zahlungen wusste, erübrigt sich damit", argumentierte der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Carstensen, der an der Sondersitzung teilnahm. Die Opposition sah das anders. Immer wieder wurde Tiefensee im Ausschuss aus den Reihen der FDP dazu aufgefordert zu erklären , warum er seinen zuständigen Staatssekretär Matthias von Randow erst vergangene Woche entließ - obwohl er doch schon seit September davon Kenntnis hatte, dass das Bahnmanagement im Fall des Börsengangs die Sonderzahlungen erhalten solle. Doch Tiefensee blieb bei seiner Darstellung, zu spät informiert worden zu sein. Der CDU-Verkehrsexperte und Bundestagsabgeordnete Dirk Fischer sagte nach der Sitzung: "Seine Ausführungen haben mich überzeugt - wenn er denn die Wahrheit gesagt hat."