“Die Zeit der Bauernopfer“ ist nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Marnette vorbei.

Kiel/Hamburg. Noch steht die Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihren Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), doch die Stimmen ihrer Parteifreunde nach einem Rücktritt ihres umstrittenen Ministers werden immer lauter. Tiefensee hat noch immer nicht schlüssig erklären können, warum er angeblich zu spät von den für den Börsengang geplanten Bonus-Zahlungen an die Bahnvorstände erfahren hat, sodass er sie nicht mehr stoppen konnte. Die Schuld dafür hatte er seinem Staatssekretär Matthias von Randow zugeschrieben und ihn in der vergangenen Woche unter dem Vorwurf, ihn falsch und zu spät informiert zu haben, entlassen. Nachdem Tiefensee sich aber schon am Freitag in Widersprüche über den Zeitpunkt der Information verstrickt hatte, meldete die "Financial Times Deutschland" gestern Abend, er habe noch früher als angegeben, nämlich schon in der zweiten Augusthälfte, von den Bonuszahlungen gewusst. Bahnaufsichtschef Werner Müller habe den SPD-Politiker telefonisch informiert. Randow hatte im Juni im zuständigen Gremium zugestimmt.

CDU-Vize Christian Wulff warf dem Minister Heuchelei vor. "Solche Boni sind bei jedem Börsengang üblich, wurden in den zuständigen Gremien beschlossen und waren dem Minister bekannt. In dieser Diskussion ist viel Heuchelei im Spiel", sagte er der "Bild am Sonntag".

Als erste Politikerin aus dem Regierungslager schloss sich die CSU-Verkehrsexpertin Renate Blank den Forderungen der Opposition nach einem Rücktritt Tiefensees an. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Georg Brunnhuber sieht schon eine Belastung für die Regierungskoalition. Doch auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) legte dem Bundesminister gestern den Rücktritt nahe. "Herr Tiefensee muss die Verantwortung für die Bonuszahlungen übernehmen", sagte Marnette dem Abendblatt. "Die Zeit der Bauernopfer ist vorbei."

Für Marnette reicht die Entlassung des Verkehrsstaatssekretärs ebenfalls nicht aus. "Es fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass Herr Tiefensee alles seinem Staatssekretär in die Schuhe schiebt." Tiefensee sei der Verkäufer, müsse den Börsenprospekt, in dem die Bahn alle diese Daten für den Börsengang auflistet, gesehen und so von den Bonuszahlungen gewusst haben. Der lag schon seit Juni vor. Für den Bonus selbst hat Marnette kein Verständnis: "So etwas macht man nicht."

Der CDU-Fraktionschef im Kieler Landtag, Johann Wadephul, forderte Tiefensee direkt auf, den Hut zu nehmen: "Herr Tiefensee muss Konsequenzen ziehen." Doch Tiefensee beschränkt sich bisher darauf, mit Appellen die Bahnvorstände zum freiwilligen Verzicht auf die Sonderzahlungen für den geplanten Börsengang der Bahn zu bewegen. "Das hilft nicht", so der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Klaus Lippold (CDU). Lippold, Blank und Brunnhuber werden Tiefensee bei der Sondersitzung des Ausschusses am Mittwoch einige bohrende Fragen zu seiner Amtsführung stellen.

Auch aus der eigenen Partei bleibt die Unterstützung für Tiefensee bisher dünn, und im Bahnmanagement ist man ohnehin nicht gut auf ihn zu sprechen. Dort wird laut "Spiegel" vermutet, dass Tiefensee selbst dafür gesorgt hat, dass die Höhe der Bonuszahlungen von mindestens 150 000 Euro allein für Bahnchef Hartmut Mehdorn und die zusätzlich geplanten Gehaltserhöhungen von 20 Prozent für die Bahnvorstände bekannt wurden.