Minister Glos: Tarifparteien sollen das selber regeln. IG Metall will heute bei Mercedes in Harburg demonstrieren.

Berlin. Die SPD hat ein neues Konfliktthema in die Koalition getragen: die Verlängerung der Altersteilzeit bis zum Jahr 2015. Gestern beschloss die Parteispitze ein entsprechendes Konzept, mit dem der gleitende Übergang in die Rente weiter staatlich subventioniert wird. Ursprünglich sollte die Förderung im kommenden Jahr auslaufen. Die Union ist empört: Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte der "Süddeutschen Zeitung", die älteren Mitarbeiter würden in den Unternehmen gebraucht und nicht in der Frühpension. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla lehnte die Pläne ebenfalls ab und warf der SPD vor, sich erneut vom Koalitionsvertrag zu entfernen. Vor Regierungsantritt sei 2005 vereinbart worden, die Altersteilzeit auslaufen zu lassen. Ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Arbeitsleben müsse von den Tarifparteien geregelt werden.

Pofallas SPD-Konterpart Hubertus Heil forderte, die Union dürfe eine entsprechende Gesetzgebung nicht blockieren: Arbeitnehmer, die "nicht mehr können", müssten die Möglichkeit haben, ohne Abschläge in Rente zu gehen. Der vorzeitige Ausstieg aus dem Berufsleben soll dann weiter aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden, wenn die frei werdende Stelle in dem Betrieb durch einen frisch ausgebildeten neuen Mitarbeiter besetzt wird. Dies verhindere einen "Personalabbau auf Kosten der Sozialversicherungskassen", sagte Heil. Zusätzlich möchte die SPD die Teilrente künftig mit 60 Jahren und damit drei Jahre früher als bisher ermöglichen. Die Teilrentner sollen unbegrenzt hinzuverdienen dürfen. In diesem Punkt signalisierte der CDU-Arbeitnehmerflügel Zustimmung mit der SPD.

Bisher wird die Möglichkeit zur Arbeitsteilzeit, bei der das Teilgehalt durch die Bundesagentur für Arbeit aufgestockt wird, vor allem für eine Frühverrentung genutzt: Die erste Hälfte der Teilzeit-Phase arbeiten die Arbeitnehmer weiter voll und gehen in der zweiten Hälfte in den Ruhestand. Dieses sogenannte Blockmodell nutzen derzeit etwa 87 Prozent der Beschäftigten, die sich für Altersteilzeit entscheiden. Pofalla betonte, mit Blick auf den bereits bestehenden Fachkräftemangel sei es sinnvoller, mehr Mittel in die Weiterbildung älterer Beschäftigter zu stecken, als sie mittels Subventionen aus dem Job zu drängen.

Pofalla verwies dabei auch auf die immens gestiegenen Kosten für die Altersteilzeit. Betrugen sie im Jahr 2000 noch 274 Millionen Euro, so lägen sie heute bei 1,4 Milliarden Euro. Wichtiger sei derzeit die Beschäftigungssicherung Älterer. Er sagte, die Erwerbstätigenquote der über 55-Jährigen sei unter Schwarz-Rot von 38 auf 51 Prozent gestiegen.

Die FDP warf der SPD vor, sich einem Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik zu verweigern. Möglichst lange Teilhabe am Erwerbsleben müsse das Leitbild der Zukunft sein, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle. Kaum sei die Situation auf dem Arbeitsmarkt etwas besser, marschiere die SPD wieder zurück in die falsche Richtung.

Auch Brigitte Pothmer, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, kritisierte den Kurs der Sozialdemokraten. Sie seien "ohne arbeitsmarktpolitischen Kompass unterwegs". Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels dürfe die Altersteilzeit nicht verlängert werden.

Unterdessen verschärft die IG Metall ihre Warnstreiks im Streit über eine Fortsetzung der Altersteilzeit-Förderung. Seit Anfang Juni haben sich mehr als 100 000 Beschäftigte vor allem in Baden-Württemberg beteiligt. Heute gibt es eine Kundgebung bei Mercedes in Hamburg-Harburg.