SPD warnt vor “Schnüffelstaat“. Polizeigewerkschaft fürchtet, dass das Gesetz im Wahlkampf untergeht.

Hamburg. Das neue Gesetz für das Bundeskriminalamt (BKA), das unter anderem die Befugnisse für die umstrittene Online-Durchsuchung regelt, hat seinen langen Weg durch das Gesetzgebungsverfahren angetreten. Gestern nahm es die erste Hürde und passierte nach erneut ausgiebiger Diskussion das Bundeskabinett. Neben weiterhin kritischen Stimmen aus der SPD riefen Grüne und Linke dazu auf, das Gesetz im Bundestag zu stoppen. Sie kritisierten wie die FDP, dass das BKA zur "Super-Spitzel-Behörde" ausgebaut werden solle.

Die Regierungsmitglieder von SPD und CDU schickten das Gesetz dennoch auf den Weg Richtung Bundestag und Bundesrat - mit gut einem Jahr Verspätung. Ursprünglich sollten nämlich schon damals die neuen zentralen Befugnisse zur Terrorabwehr, die das BKA mit der Föderalismusreform erhalten hatte, umgesetzt werden. Doch über die Befugnisse zur Online-Durchsuchung entbrannte heftiger Streit zwischen den Koalitionspartnern, der erst mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar beendet wurde. Die SPD warf CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble vor, zu sehr in die Privatsphäre der Bürger eindringen zu wollen.

"Das ist ein wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland", sagte gestern nun Schäuble. Der Entwurf entspreche "allen verfassungsrechtlichen Bestimmungen". Als der SPD-Politiker und Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy, dann allerdings noch mal das Wort "Schnüffelstaat" in den Mund nahm, platzte Schäuble der Kragen. Edathy sagte im ZDF-Morgenmagazin, im weiteren parlamentarischen Verfahren müsse sichergestellt werden, dass "kein Schnüffelstaat" entstehe, und zählte zu seinen erneuten Änderungswünschen die Befristung der Online-Durchsuchung auf vier bis fünf Jahre. Schäuble nannte den Vorstoß Edathys "albern" und wertete die Kritik aus den Reihen der Sozialdemokraten als Einzelmeinungen. Er verwies darauf, dass der Entwurf "innerhalb der Regierung völlig einvernehmlich abgestimmt" worden sei.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, fürchtet, dass das aus seiner Sicht dringend nötige Gesetz noch weiter verzögert und zerredet werden könnte. Gegenüber dem Abendblatt warnte er davor, dass an diesem Thema "der Wahlkampf durchbricht".

Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber hohe Hürden für das heimliche Ausspähen von Computern aufgegeben. Dies kann nur mit richterlicher Genehmigung geschehen, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen". Das sind Gefahr für Leib und Leben oder die Freiheit einer Person. Schäuble sieht das Gesetz verfassungskonform. Einem Terrorverdächtigen, der nach Erkenntnissen der Ermittler einen Anschlag plant, kann demnach über einen sogenannten Bundestrojaner - eine E-Mail, die eine Spionagesoftware enthält - der Computer angezapft werden. Die Fahnder können dann unter anderem Passwörter entschlüsseln. Das heimliche Einbrechen der Fahnder in Wohnungen, um die Software direkt am Rechner zu installieren, scheiterte am Widerstand der SPD. Zum Installieren von Abhörwanzen ist dieses allerdings erlaubt. Freiberg hält das für widersinnig.

Künftig zulässig ist neben dem sogenannten Lauschangriff, dem Abhorchen von Terrorverdächtigen, auch der Spähangriff. Ermittler dürfen heimlich Kameras installieren, um auch zu sehen, was passiert. Das ist eine direkte Folge aus den Ermittlungen um die Terrorverdächtigen im Sauerland, die ihre Bombenmischung in einer nicht einsehbaren Garage mixten.

Der Opposition geht das alles zu weit. Die FDP befürchtet, dass das BKA eine "Super-Spitzel-Behörde" wird. Parteichef Guido Westerwelle warf Schäuble vor, mit seinen Initiativen zur inneren Sicherheit "Maß und Mitte" verloren zu haben. Die Altliberalen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch verwarfen den Entwurf als unannehmbar. Die Grünen forderten die SPD auf, das Gesetz aufzuhalten. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck sprach von einem "schwarzen Tag für die Bürgerrechte".