Wolfgang Sofsky ist Soziologe in Göttingen und einer der weltweit angesehensten Gewaltforscher.

ABENDBLATT: Welche Bedeutung hat der Totenschädel grundsätzlich in unserer Kultur?

WOLFGANG SOFSKY: Der Totenschädel ist das Gesicht aller Gesichter. Er zeigt, dass wir alle am Ende gleich sind. Er symbolisiert Tod, Vergänglichkeit und Gefahr.

ABENDBLATT: Was bedeutet es, wenn Soldaten mit einem Totenschädel posieren?

SOFSKY: Soldaten benutzen den Totenschädel häufig als Kriegstrophäe. Sie zeigen damit den Stolz des Überlebenden über den Tod, die Macht des Siegers über den Besiegten. Das ist meist keine Bewältigung eigener Angst, sondern Ausdruck eigener Macht und eigenen Mutes. Wird der Totenkopf als Zeichen auf Uniformen getragen, wie zum Beispiel bei den alten Totenkopfhusaren, den Freikorps oder der SS, soll dadurch auch die eigene Gefährlichkeit demonstriert werden: Wir sind diejenigen, die den Tod bringen.

ABENDBLATT: Die deutschen Soldaten stammen aus einer zivilisierten Welt, sind gut ausgebildet und aufgeklärt. Warum sind diese Bilder trotzdem entstanden?

SOFSKY: Diese Soldaten verhalten sich so, wie sich Krieger immer verhalten haben. Sie machen Mutproben an der Ekel- und Tabugrenze, um ihre Zusammengehörigkeit zu festigen. Auch in modernen Kriegen suchen die Soldaten nach Trophäen. Das war im 2. Weltkrieg so, in Vietnam oder im Algerienkrieg. Oft werden den Toten Körperteile abgeschnitten. Soldaten werden zum Töten ausgebildet. Sie sollen im Krieg Feinde töten. In Deutschland glauben aber viele Menschen, dass Soldaten nichts als uniformierte Sozialarbeiter oder Aufbauhelfer seien.