Familie: So versuchen junge Hamburgerinnen, Kinder, Karriere und Freizeit zu vereinen. Wirbel um einen Satz im Familienbericht. Ministerin von der Leyen warnt vor Mißverständnissen.

Berlin. In Deutschland hapert es nach wie vor an Möglichkeiten zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zudem sind Eltern zeitlich auch deshalb hoch belastet, weil sie im Vergleich zu anderen Ländern häufig mehr Zeit zur Organisation des Alltags aufwenden müßten. Diese Ergebnisse finden sich im siebten Familienbericht, den eine Sachverständigenkommission im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erarbeitet hat.

Der Kommissionsvorsitzende Prof. Hans Bertram sagte gestern bei der Vorstellung des fast 600 Seiten starken Berichts in Berlin, es sei ein "Dreiklang aus Zeit, Geld und Infrastruktur" nötig, um die Situation von Eltern und Kindern zu verbessern. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) erklärte, der Bericht zeige, daß Familie das Zukunftsmodell unserer Gesellschaft bleibe. Der internationale Vergleich zeige aber auch, daß "andere Länder mit ähnlichen Voraussetzungen wie Deutschland, wie etwa Frankreich oder die Staaten in Skandinavien, bisher eine erfolgreichere Familienpolitik betreiben, obwohl sie nicht mehr Geld ausgeben".

Von der Leyen kritisierte die Rahmenbedingungen für Familien in Deutschland. Untersuchungen zeigten, daß Paare mit Kindern in Deutschland nach Eltern in den USA die höchste zeitliche Belastung hätten. Deutsche Mütter mit Kindern im Vorschulalter sind seltener berufstätig und wenden entsprechend weniger Wochenzeit für Erwerbsarbeit auf als Mütter in Skandinavien, Frankreich und Großbritannien. Sie wenden dem Bericht nach täglich im Schnitt aber 371 Minuten für Hausarbeit auf und damit etwas mehr als Mütter in den anderen genannten Ländern.

Bertram wie auch von der Leyen wandten sich gegen eine Zeitungsmeldung, in der es geheißen hatte, der Familienbericht kritisiere die Mütter in Deutschland. In dem Bericht stand, Mütter aus Frankreich, Schweden, Norwegen und Finnland würden ähnlich viel Zeit mit ihren Kindern verbringen wie deutsche Frauen, nämlich zwei bis zweieinhalb Stunden. In dem Familienbericht steht aber auch der Satz: "Die geringste Präsenz am Arbeitsmarkt findet sich bei deutschen Müttern, die diese gewonnene Zeit aber nicht in Hausarbeit investieren, sondern in persönliche Freizeit."

Bertram monierte, dieser zitierte Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen, ein Eindruck, der sich bei Lektüre des Berichts erhärtet. Von der Leyen warnte ebenfalls vor Mißverständnissen. Sie müsse sich hier für die deutschen Mütter in die Bresche werfen. Daß Mütter in Deutschland, auch wenn sie weniger berufstätig seien, nicht mehr Zeit für ihre Kinder hätten als in anderen Ländern, habe damit zu tun, daß der Alltag in Deutschland für Mütter schwieriger zu bewältigen sei als in diesen Ländern. So seien häufig Öffnungszeiten von Kindertagesstätten nicht mit Arbeitszeiten oder Ladenöffnungszeiten abgestimmt. Deshalb gehe in Deutschland mehr Zeit für die Organisation des Alltags verloren.

Der Schlüssel zu einer erfolgreicheren Familienpolitik sei, es Frauen und Männern zu erleichtern, Kinder zu haben und ihre Fähigkeiten im Beruf zu entfalten. Junge Frauen wollten Kinder haben und ihren Beruf weiter ausüben. Junge Männer wollten heute erziehende Väter und nicht mehr nur Ernährer sein. Dies ist ein Grund, warum die Ministerin bei der geplanten Einführung eines Elterngeldes auch zwei Vätermonate einführen will. Der Familienbericht wurde noch von der früheren Familienministerin Renate Schmidt (SPD) in Auftrag gegeben und ihr im Sommer 2005 übergeben. Wegen der Bundestagswahl im Herbst wurde er erst jetzt im Kabinett beraten.

Verena Schulz (36), Sozialpädagogin: "Als alleinerziehende Mutter ist es mir momentan nicht möglich zu arbeiten. Deshalb bin ich Hausfrau und Mutter. Ich würde aber gern wieder arbeiten und bin traurig, daß uns Müttern hier in Deutschland sowenig Chancen gegeben werden. Die Gesellschaft muß umstrukturiert werden, damit wir es leichter haben, eine Familie zu gründen. Ich muß mir meine Zeit genau einteilen. Mein eineinhalb Jahre alter Sohn Philippe Emanuel braucht viel Zuwendung. Dreimal in der Woche gehe ich zum Sport. Dann wird der Kleine in dem Hort nebenan betreut. Das ist die freie Zeit, die ich für mich habe. Mehr nicht."

Dörte Chardin (43), Physiotherapeutin: "Es ist wichtig, daß man sich als Familie die Arbeit mit den Kindern und im Haus aufteilt. Mein Mann und ich haben das immer toll hinbekommen. So mußte ich nach der Geburt meiner beiden Töchter Clara (5) und Judith (11) auch nur ein Jahr lang mit der Arbeit aussetzen und konnte schnell weiter machen. Jetzt habe ich einen Halbtagsjob. Etwa dreimal in der Woche gehe ich joggen und trommel' in einer Band. Aber auch meine Arbeit ist für mich Entspannung. Ich habe sehr viel Spaß mit den Kollegen, bekomme Bestätigung und treffe andere Leute. Deshalb ist mir diese Abwechslung auch so wichtig."

Eva Bublitz (35), Marketingassistentin: "Ohne einen Krippenplatz hätte ich nicht die Möglichkeit, wieder zu arbeiten. Meinen Sohn Theodor werde ich ab Juni dorthin bringen. Spätestens dann will ich wieder halbtags arbeiten. Bisher habe ich mich den ganzen Tag um Theodor gekümmert. Er ist so klein und braucht mich. Ansonsten treffe ich mich mit anderen Müttern, die ich im Krankenhaus oder bei der Geburtsvorbereitung kennengelernt habe. Außerdem besuche ich Kurse mit Theodor. Bisher habe ich mich nur einmal mit Freunden zum Brunch verabreden können, ohne daß er dabei war. Das ist aber richtig so, mein Job im Moment ist Theodor."