Familienbericht: Experten beklagen Freizeit-Verhalten. CDU und CSU planen “Vätermonate“ bei der Förderung. Ministerin will Männer in die Pflicht nehmen.

Berlin/Hamburg. Beim von der Bundesregierung geplanten Elterngeld zeichnet sich in der Union eine gemeinsame Position zur Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung ab. Damit hat sich Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrem umstrittenen Vorschlag für "Vätermonate" offenbar durchgesetzt. Die Ministerin präsentierte gestern den Familienbericht der Bundesregierung, der das Elterngeld als eine Lösung bei der Förderung von Familien vorschlägt.

Die Expertenkommission um den Berliner Familien- und Jugendforscher Hans Bertram sieht das Problem sinkender Geburtenraten vor allem in der schwierigen Situation vieler Frauen begründet. Sie müßten nach häufig langer Ausbildung, schwierigem Berufsstart und Partnersuche in wenigen Jahren in einer biographischen "Rushhour" Familiengründung und Beruf unter einen Hut bringen. Nach dem ersten Kind entstehe für viele junge Familien durch den Wegfall eines Gehalts eine finanzielle Belastung. Diese "Achterbahnfahrt", so die Kommission, soll künftig durch das Elterngeld gemildert werden.

Bislang ist geplant, das Elterngeld auf jeden Fall zehn Monate an einen Elternteil zu zahlen und nur dann zwei weitere Monate, wenn in dieser Zeit der andere Elternteil, vermutlich mehrheitlich die Väter, die Betreuung in dieser Zeit übernimmt. Die Höchstgrenze liegt bei 1800 Euro.

Dieses Modell hatte in Teilen der Union Widerspruch hervorgerufen. Gestern wurde nun in den Vorständen von CDU und CSU eine Alternative diskutiert, wonach das Elterngeld in jedem Fall zwölf Monate gezahlt werden soll und die zwei "Vätermonate" zusätzlich gewährt werden.

Der Koalitionsausschuß von Union und SPD will am 1. Mai darüber entscheiden. Denn ob die "Vätermonate" zusätzlich zum einjährigen Elterngeld als Lohnersatz gezahlt werden, hängt auch vom Votum des Finanzministers Peer Steinbrück (SPD) ab. Die jährlichen Kosten von vier Milliarden Euro sollen laut Koalitionsvereinbarung nicht überschritten werden.

Die Expertenkommission weist in ihrem Familienbericht allerdings darauf hin, daß der Lohnersatz nicht das Allheilmittel ist, um die Geburtenzahl zu steigern. Defizite gebe es vor allem auch in der Kinderbetreuung.

Wirbel gibt es um einen Satz im Familienbericht. Er lautet: "Die geringste Präsenz am Arbeitsmarkt findet sich bei deutschen Müttern, die diese gewonnene Zeit aber nicht in Hausarbeit investieren, sondern in persönliche Freizeit." Ministerin von der Leyen und auch Verfasser Bertram versicherten, damit werde Frauen keinesfalls Faulheit unterstellt.

Heike Meynberg (36), Zahnärztin: "Für Mütter ist es schwer, mit Kindern zum Arzt zu gehen. Das habe ich mit Felix erlebt. Deshalb mache ich mich mit einem neuen Konzept selbständig: Kinderbetreuung für Patienten. Das neue Elterngeld wäre ein Signal. So bekommen vielleicht Akademiker mehr Kinder. Bisher liegt hier viel Potential brach."

Steffanie Plikat (24), Modedesignstudentin: "Ich versuche Kinder und Studium zu vereinbaren. Und habe so die Geburt von Amelie extra in die Ferien gelegt. Auch mein zweites Kind wird im August, in den Semesterferien, zur Welt kommen. So kann ich ohne Pause studieren. Freie Zeit habe ich wenig. Das Studium ist sozusagen mein einziges Hobby."

Svenja Friedrich (33), Lehrerin: "Ich weiß, wieviel Arbeit ein Kind bedeutet. Mein Sohn Tule ist neun Monate alt. Bisher habe ich jede freie Minute für ihn reserviert. Nur wenn er mittags schläft, lese ich mal ein Buch. Ab August arbeite ich wieder als Lehrerin. Dann paßt mein Mann ein Jahr auf Tule auf."

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