Der Sturz. Der Minister mit den vielen Affären ist über seine Honorare gestolpert. Er selbst sieht sich als Opfer einer Kampagne. Neuer Verteidigungschef: Struck.

Berlin. Mit einem in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellosen Rauswurf hat Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern Verteidigungsminister Rudolf Scharping (beide SPD) entlassen. Nur knapp neun Wochen vor der Bundestagswahl setzte Schröder dem durch seine zahlreichen Affären umstrittenen Minister den Stuhl vor die Tür und machte SPD-Fraktionschef Peter Struck zum Nachfolger. Scharping sieht sich als Opfer einer gezielt gegen ihn gerichteten Aktion und sagte, er gehe "mit erhobenem Haupt und aufrechtem Gang". Es dauerte nur 49 Sekunden - und der Verteidigungsminister war gefeuert. Länger brauchte Schröder gestern nicht, um die Entlassung Scharpings zu verkünden. "Die notwendige Basis für eine gemeinsame Arbeit in der Bundesregierung ist nicht mehr gegeben", sagte der Kanzler zur Begründung. Kein Wort der Anerkennung für geleistete Arbeit, schon gar nicht des Dankes - ein Rauswurf erster Klasse. Scharping keilte eine Stunde später zurück. "Beliebig durch ein Medium aufgestellte Behauptungen" seien kein Anlass für einen Rücktritt. Alle Vorgänge, die zu seiner Ablösung geführt hätten, seien "absolut gesetzeskonform". Vielmehr sah der Verteidigungsminister Anzeichen für eine "gezielte Kampagne" gegen ihn. Aus Scharpings Umfeld wurden direkte Vorwürfe gegen Schröder erhoben. Die Entlassung sei Teil eines Kalküls des Kanzlers und der SPD-Spitze, Schröder als handlungsfähigen Macher darzustellen. Auslöser für den Rauswurf waren Berichte über Scharpings angeblich zweifelhafte Geschäfte mit dem Frankfurter PR-Unternehmer Moritz Hunzinger. Der Bericht des "Stern", in dem es um 140 000 Mark Honorare geht, die Hunzinger Scharping als Vorschuss auf dessen Memoiren und für drei Vorträge gezahlt hat, sei "in wesentlichen Teilen falsch und ehrenrührig", sagte der Verteidigungsminister. Hunzinger selbst sprach gegenüber dem Fernsehsender Phönix von "sinistren Gestalten", die seit einem Jahr mit dem Material zu dieser Geschichte hausieren gingen. Tatsächlich sind die Unterlagen aus der Firma des PR-Managers schon vor Jahresfrist dem "Spiegel" und der "Süddeutschen Zeitung" angeboten worden, die aber beide ablehnten. In den 24 Stunden vor dem Rauswurf liefen fieberhafte Aktivitäten, vor allem bei der Suche eines Nachfolgers. Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier, SPD-Generalsekretär Franz Müntefering und Struck hatten am Mittwochabend in Schröders Haus in Hannover bei einem Geheimtreffen über das weitere Vorgehen beraten. Scharping, ebenfalls eingeladen, war nicht erschienen. Bei diesem Treffen wurde auch Struck als Nachfolger ausersehen. Noch vor einem Jahr, bei der Krise um Scharpings Mallorca-Flüge mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr, hatte Struck den Job abgelehnt. Nachfolger als SPD-Fraktionsvorsitzender wird der bisherige Fraktionsvize Ludwig Stiegler aus Bayern. Der grüne Koalitionspartner bedauerte die Entwicklung um Scharping, bezeichnete die Entlassung aber als notwendig. Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) sprach von einer "Regierung in Auflösung".