Kommentar

Gerhard Schröder ist einmal mehr dabei, sich politisch neu zu gewanden. Den "Genossen der Bosse" haben wir kennengelernt, den Friedensfreund und den eisenharten Reformierer auch. Nun also betont er den Verteidiger der sozialen Marktwirtschaft, der gegen internationale Finanzspekulanten zu Felde zieht.

Schröders Kurswechsel ist genau kalkuliert. Der Bundeskanzler versucht, dort wieder Boden gutzumachen, wo er ihn zuletzt so dramatisch verloren hat: bei den Arbeitern und den Arbeitslosen, denen, die im Stammtisch-Deutsch so gern als "kleine Leute" bezeichnet werden. Deren Sachwalter ist die SPD über Jahrzehnte gewesen. Unter Schröder hat sie dieses Image eingebüßt.

Doch die neue Mitte, auf die der Kanzler statt dessen gesetzt hat, wandte sich inzwischen ebenfalls ab. Nun gilt es, wenigstens den Schwund bei der Stammwählerschaft aufzuhalten, will die Partei - eine Volkspartei immerhin - nicht ins Bodenlose fallen.

Dafür muß der Kanzler wieder links von der ursprünglich angepeilten Mitte Stellung beziehen. Deshalb kommt es nicht von ungefähr, daß Schröder nun auch SPD-Chef Franz Müntefering und seine Kapitalismuskritik offensiv in Schutz nimmt. Zumal der SPD mit dem linken Wahlbündnis eine Gefahr droht, die nur schwer kalkulierbar ist.

Da braucht es zugkräftige Themen. Eine Diskussion um höhere Löhne in Deutschland könnte dazugehören. Deshalb wurden die Minister Wolfgang Clement und Hans Eichel als Minenhunde vorgeschickt, um genau dies zu fordern. Inwieweit es tatsächlich als Argument im Wahlkampf taugt, wird sich noch erweisen. Denn in einem liegt der Kanzler richtig: Lohnerhöhungen sind Sache der Tarifpartner. Und darüber hinaus ein Thema, das branchenabhängig äußerst unterschiedlich diskutiert wird. Auf eine generelle politische Vorgabe wird da kaum jemand hören.