Schröder: Der Bundeskanzler und seine SPD wollen Kündigungsschutz, Mitbestimmung und Tarifautonomie verteidigen.

Berlin. Die SPD will als Garant für soziale Marktwirtschaft in den Wahlkampf ziehen. Der Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und sozialen Interessen habe Deutschland stark gemacht, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Montag in Berlin. Die soziale Marktwirtschaft "ist kein Auslaufmodell - sie ist ein Modell für globales Wirtschaften". Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering erklärte, für die Sozialdemokratie stehe unverrückbar fest: "Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht umgekehrt."

Schröder und Müntefering äußerten sich im Vorwahlkampf auf einem SPD-Wirtschaftskongreß. Schröder ist dafür, den Einfluß der hochspekulativen und extrem gewinnorientierten Hedge-Fonds weltweit zu begrenzen. Ausländische Investoren in Deutschland seien hochwillkommen. "Entscheidend ist aber, daß sie sich an die Spielregeln der sozialen Marktwirtschaft halten."

Eine Arbeitsgruppe der Fraktion empfiehlt unter anderem, europaweite Standards für Hedge-Fonds zu definieren, die sich an deutschen Regelungen orientieren. Ziel ist eine erhöhte Transparenz der Fonds gegenüber den Anlegern.

Schröder griff bei dem Kongreß die Opposition scharf an. "Wer wie CDU, CSU und FDP Arbeitnehmerrechte beschneiden, die Mitbestimmung einschränken und den Kündigungsschutz schleifen will, der legt die Axt an die Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft." Es sei unzweifelhaft das Verdienst von Müntefering, mit seiner Kapitalismus-Kritik das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft zum Gegenstand einer kontroversen Diskussion gemacht zu haben.

Schröder forderte, wenn globale Märkte national erworbene Rechte außer Kraft setzen könnten, müsse das, was im deutschen Sozialstaat an Freiheit, Teilhabe und Gerechtigkeit erreicht worden sei, in die europäischen und globalen Regelungen eingebracht werden. "Wir wollen nicht nur Weltmeister beim Export von Waren sein, sondern auch beim Export dieser Werte."

Müntefering warf der Opposition vor, das deutsche Sozialstaatsmodell aufzugeben. Die Ankündigung, "Mitbestimmung und Betriebsverfassung, Jugendschutz und Kündigungsschutz und vor allem die Tarifautonomie deutlich zu reduzieren, hat feudalistische Züge und ist ein Verrat an die soziale Marktwirtschaft", kritisierte er. Die Forderung nach "Vorfahrt für Arbeit" sei "zu oft soziale Kuschelformel für die Rechtfertigung von Niedrigstlöhnen und die Zerschlagung von Arbeitnehmerrechten". Er verlange dagegen "Vorfahrt für menschenwürdige Arbeit".

MERKEL Die Kanzlerkandidatin setzt auf mehr Arbeitsplätze durch mehr Sparsamkeit und stärkeres Wirtschaftswachstum.

Berlin/Kiel

HA/ubi/dpa

Drei Monate vor der geplanten Bundestagswahl gibt es in der Union starke Differenzen über den Kurs in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Unions-Kanzlerkandidatin und CDU-Chefin Angela Merkel wies gestern Forderungen des CDU-Wirtschaftsflügels nach gravierenden Einschnitten in das soziale Netz zurück. Zuvor hatte sich auch CSU-Chef Edmund Stoiber für einen harten Sparkurs ausgesprochen, was auch Kürzungen im Sozialbereich einschließe.

"Die CDU ist die CDU. Und der Wirtschaftsrat ist eine ihr nahestehende Vereinigung", sagte hingegen Merkel nach einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. "Soziale Sicherheit ist die Voraussetzung für Stabilität", betonte die CDU-Vorsitzende. Auf Stoiber ging sie nicht ein. Sie kündigte aber Korrekturen an den Hartz-Gesetzen an.

In der Sitzung wurde erstmals über das Wahlprogramm gesprochen, das CDU und CSU am 11. Juli vorlegen wollen. Festlegungen wurden noch nicht getroffen. Merkel unterstrich, in jedem Fall werde die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum im Mittelpunkt stehen. Sie warnte vor überzogenen Erwartungen: "Einfach ist die Ausgangslage, die Rot-Grün hinterläßt, nicht."

Den Abbau von Sozialleistungen hatten neben dem CDU-Wirtschaftsrat und Stoiber zuvor auch führende Haushälter der Union gefordert. Aus Sicht des Wirtschaftsrats-Präsidenten Kurt Lauk sind diese "nicht mehr finanzierbar".

Merkel plädierte dagegen für einen Mittelweg und sagte, notwendig sei, die soziale Sicherheit auf ein sicheres Fundament zu stellen. Dazu müsse die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse gesteigert werden. "Wachstum heißt die Devise ."

Eine Diskussion über eine generelle Kürzung von Sozialleistungen lehnte die Kanzlerkandidatin ab. Statt dessen trat sie für die Überprüfung einzelner Ausgabenposten ein. "In Zeiten knapper Kassen muß man sich noch mehr fragen, ob das Geld, was man ausgibt, dem eigentlichen Ziel dient. Man muß zum Beispiel gucken, daß man im Zusammenhang mit Hartz IV nicht einen riesigen aufgeblähten zweiten Arbeitsmarkt bekommt - zum Beispiel die Ein-Euro-Jobs."

Unterstützung erhielt die Kanzlerkandidatin vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Der sagte in Kiel bei der Klausur der CDU-Fraktionsvorsitzenden, daß sich zwar bei tariflichen Arbeitszeiten und der Lebensarbeitszeit etwas ändern müsse, doch Abbau und Raubbau seien nicht das Prinzip der CDU. "Der Sozialstaat bleibt mit Sicherheit gewahrt."