Kleine Firmen leiden besonders unter der Luftverkehrssteuer auf Flugtickets. Air-Berlin-Chef Mehdorn: “Ökologische Nullnummer.“

Hamburg. Die Luftverkehrssteuer auf Flugtickets sorgt innerhalb der Bundesregierung für neuen Ärger. Kritiker der Abgabe, die im vergangenen Jahr zur Haushaltssanierung eingeführt wurde, haben gewaltige Auswirkungen auf die deutsche Luftfahrtbranche festgestellt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat durch die Ticketsteuer 2011 rund 961 Millionen Euro eingenommen und wird auf diese Quelle kaum verzichten. Dagegen kann sich Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Änderungen vorstellen.

Sein Haus legt am 30. Juni einen Evaluierungsbericht vor. Nach ersten Ergebnissen, von denen das Abendblatt Kenntnis bekommen hat, werden deutsche Luftfahrtunternehmen - Airlines und Flughäfen - gegenüber ausländischen Konkurrenten durch die Ticketsteuer benachteiligt. Wachstum und Arbeitsplätze würden ins Ausland verlagert. Die Gewinne und damit die Investitionen in neues Fluggerät würden deutlich geschmälert. Und der Umweltaspekt - mehr innerdeutscher Verkehr auf die Schiene - komme überhaupt nicht zum Tragen.

Der Hamburger Flughafenchef Michael Eggenschwiler sagte: "Im vergangenen Jahr sind 200 000 Passagiere entweder ab dem dänischen Billund geflogen, mit einem anderen Verkehrsmittel gereist oder haben ganz auf die Reise verzichtet." Besonders habe es innerdeutsche Flüge betroffen, bei denen die Steuer jeweils auf Hin- und Rückflug erhoben werde. Ihre Zahl stagnierte, "während die Nachfrage im europäischen Verkehr mit plus 7,3 Prozent und auf den interkontinentalen Routen mit plus 6,3 Prozent stark anzog". Dieser Trend setze sich 2012 fort. "Die Luftverkehrssteuer muss abgeschafft werden."

+++ An Europas Himmel droht ein Handelskrieg +++

Die negativen Effekte der umstrittenen Abgabe beschreibt auch der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke (CDU). "Sollten sich bei der Evaluierung die bisherigen Erkenntnisse bestätigen, nämlich, dass die Luftverkehrsabgabe zu Verlagerungen von Flügen oder zum Abwandern von Passagieren ins Ausland geführt hat, gehört die Steuer meines Erachtens auf den Prüfstand. Es sind mindestens Nachbesserungen erforderlich, die die Wettbewerbsverzerrungen minimieren." Klimke sagte dem Abendblatt, ihm erscheine am Gesetz vieles willkürlich oder unsystematisch. "So fehlt mir eine ökologische Komponente, die durch eine Bevorzugung schadstoffarmer Flugzeuge einen Anreiz zur Modernisierung der Flotten bei den Airlines setzt. Zudem sollten Business- oder First-Class-Passagiere aufgrund des höheren Gewichts- und Platzverbrauchs höher besteuert werden."

Zu Jahresbeginn wurden die Steuersätze leicht gesenkt. Im Inland und auf Kurzstrecken müssen 7,50 Euro statt acht Euro pro Ticket gezahlt werden, für die Mittelstrecke sind 23,43 Euro und für Langstreckenziele 42,18 Euro fällig. Die Steuer trifft aber nicht nur die Branchengrößen. Massiv bedroht sind die Inselflieger an der Nordsee. "Wir sind so was von wütend, dass da nichts passiert", sagte der Chef von Luftverkehr Friesland Harle, Jan-Lüppen Brunzema, dem Abendblatt. Seine Firma fliegt mit zehn Zehnsitzern und im Verbund mit anderen Unternehmen auch mit kleineren Maschinen vom niedersächsischen Harle oder Bremen nach Wangerooge, Norderney, Juist oder Helgoland. Der Flug von Harle nach Wangerooge dauert fünf Minuten und kostet 32 Euro, für Kinder die Hälfte. "Dann kommen je Weg noch knapp zehn Euro Luftverkehrssteuer drauf, das sind fast 50 Euro für eine Familie mit drei Kindern. Da sind die Fluggäste richtig sauer", sagte Brunzema.

Er fliegt auch viele Insulaner, die aufs Festland pendeln. Sie sind von der Steuer befreit. "Aber ich muss von allen bei jedem Flug die Personalien aufnehmen. Denn einmal im Monat kommt der Zöllner und guckt alle Tickets durch. Ich habe 2400 Arbeitsstunden zusätzlich durch die ganze Bürokratie", so Brunzema. Der Arzt, der auf eine Insel fliegt, zahlt die Ticket-Abgabe nicht, ein Tierarzt allerdings schon. Wird ein Verletzter ausgeflogen, zahlt er die Steuer. Legt er später nach der Behandlung eine gelbe Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, kann ihm Brunzema das Geld erstatten. Jeder Handwerker, jede Putzfrau, die nach Helgoland oder Norderney fliegt, zahlt die Steuer. Der Unternehmer Brunzema ist auch deshalb so verärgert, weil das EU-Parlament beschlossen hatte, Regionalflughäfen zu stärken. Peter Douven, Geschäftsführer des Flughafens Westerland, nannte die Steuer "wettbewerbsverzerrend und geschäftsschädigend".

+++ EU-Urteil: Alle Fluglinien müssen für Klimaschutz zahlen +++

Allerdings hat Schäubles Finanzministerium ein Positionspapier erarbeitet, in dem die Argumentation der Branche bezweifelt wird. Die Ticketsteuer habe den Verkehr nur wenig beeinträchtigt. Sicherheitsgebühren und Kerosinpreise hätten viel stärker auf die Gewinn-/Verlustrechnung eingewirkt. Und dass Flugreisende von Flughäfen wie Düsseldorf oder Köln/Bonn nach Amsterdam oder Eindhoven abgewandert seien, lasse sich nicht belegen.

Der Verkehrsclub Deutschland sieht die Ticketabgabe positiv: "Die Luftverkehrssteuer ist das einzige Mittel, um Überkapazitäten im Luftverkehr abzubauen und Anreize für die Verlagerung von innerdeutschen Flügen auf die Schiene zu schaffen", sagte eine VCD-Sprecherin dem Abendblatt. Langfristig müsse man europaweit eine Kerosinsteuer einführen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und den Klimaschutz voranzubringen.

Die Öko-Argumentation kann der Vorstandschef von Air Berlin, Hartmut Mehdorn, nicht nachvollziehen. Die Luftverkehrssteuer berücksichtige den CO2-Ausstoß überhaupt nicht. Mehdorn sagte dem Abendblatt: "Das ist eine ökologische Nullnummer. Dieser nationale Alleingang schadet nur dem Standort Deutschland."