Auch außereuropäische Fluglinien sollen ab dem 1. Januar 2012 für CO2-Emissionsrechte zahlen. USA und China kündigen Gegenmaßnahmen an.

Hamburg. Im Streit über die zum 1. Januar 2012 geplante Ausweitung des Emissionshandels auf den Luftverkehr ist die Europäische Union (EU) einen Schritt vorangekommen: Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ist es rechtens, alle Starts und Landungen in der EU einzubeziehen, auch wenn eine Fluggesellschaft nicht aus einem EU-Land kommt. Nach Auffassung der Richter verstieße eine solche Praxis weder gegen das Völkerrecht noch gegen das sogenannte Open-Skies-Abkommen, in dem die internationale Nutzung des Luftraums geregelt ist.

Mit ihrem Vorhaben riskiert die EU allerdings einen Handelskrieg. Denn mehrere Nationen wollen sich dagegen wehren, dass auch ihre Airlines künftig Rechte für den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) benötigen, wenn sie die EU anfliegen. So kündigte die US-Luftfahrtvereinigung an, gegen das Urteil vorzugehen. Die Gerichtsentscheidung bedeute "nicht das Ende dieses Falls". Die US-Regierung will den heimischen Fluggesellschaften sogar gesetzlich verbieten, am Emissionshandel teilzunehmen. Außenministerin Hillary Clinton hatte die EU-Politiker erst in der vergangenen Woche schriftlich aufgefordert, den aktuellen Kurs zu überprüfen. Geschehe dies nicht, werde man über Gegenmaßnahmen nachdenken.

Aus China hieß es, man könne Milliardenaufträge beim europäischen Flugzeugbauer Airbus blockieren. Und Russland drohte mit einer "ernsten Antwort", sollte der geplante Emissionshandelszwang in Kraft treten. Auch Brasilien und Indien wollen Widerstand leisten.

+++ Europas Fluglinien drohen 2012 hohe Verluste +++

Bisher beschränkt sich der europäische Emissionsrechtehandel, der im Jahr 2005 begann, auf rund 12 000 Industrieanlagen und Kraftwerke. Im Januar soll nun der Luftverkehr hinzukommen. Das funktioniert so: Je nach der Menge des Ausstoßes von Treibhausgas müssen die Fluggesellschaften dann - wie heute schon die Industrie- und Energiekonzerne - CO2-Zertifikate vorweisen. Diese werden von der EU ausgegeben, aber nur auf Basis der durchschnittlichen Emissionen in den Jahren 2004 bis 2006.

Von den benötigten Zertifikaten sind anfänglich 85 Prozent gratis, wobei dieser Anteil später sinkt, der Rest wird versteigert. Kommt eine Airline damit nicht aus, muss sie die an einer speziellen Börse gehandelten Verschmutzungsrechte hinzukaufen.

Wie viel dies die Branche kosten wird, ist noch nicht klar. Nach Berechnungen der Analysten von Deutsche Bank Research kommen allein im nächsten Jahr Kosten von 1,1 Milliarden Euro auf die gesamte Branche zu. Die Lufthansa-Gruppe rechne für 2012 mit einer Zusatzbelastung von 130 Millionen Euro - mit steigender Tendenz in den Folgejahren, sagte Konzernsprecher Peter Schneckenleitner.

Bezogen auf den einzelnen Passagier geht EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard von Mehrkosten in Höhe von maximal zwei bis zwölf Euro pro Ticket für einen Langstreckenflug aus. Allerdings hatte die Bundesregierung zugesichert, die seit Januar 2011 geltende Luftverkehrssteuer - sie beträgt zwischen acht Euro für Kurzstrecken- und 45 Euro für Langstreckenflüge, die in Deutschland starten - künftig um die bereits durch den Emissionshandel eingenommenen Beträge zu kürzen.

"Es darf nicht wieder zu einem erneuten Alleingang, wie bei der Luftverkehrssteuer, kommen", sagte Schneckenleitner zu den Plänen der EU. Vor allem müssten tatsächlich alle Fluggesellschaften, die die EU anfliegen, einbezogen werden, es dürfe keine Ausnahmeregelungen geben. "Wenn dies nicht gewährleistet ist, muss der Start des EU-Emissionshandels verschoben werden", so der Lufthansa-Sprecher.

"Wir haben jetzt zwar eine EU-Rechtsprechung, politisch geht das Chaos aber weiter", sagte Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). "Wir brauchen jetzt so schnell wie möglich eine globale Lösung." Mehrere Verbände, darunter der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der BDL, hatten vor wenigen Tagen in einem gemeinsamen Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gefordert, die Einbeziehung der Fluggesellschaften in den Emissionshandel um ein Jahr zu verschieben. Es gehe darum, "Wettbewerbsverzerrungen und internationale Spannungen abzuwenden".

Arne Fellermann, Verkehrsexperte der Umweltschutzorganisation BUND, begrüßte das EuGH-Urteil. "Natürlich wäre eine globale Regelung die ideale Lösung für diese globale Branche. Aber wir tun jetzt den ersten Schritt."