Die Debatte um den Fiskalpakt zwischen Regierung und Opposition ist vor allem Show. Die wichtigen Beschlüsse fallen in Europa.

Berlin. Über Nacht änderte Wolfgang Schäuble (CDU) seinen Tonfall. Am Sonntagabend teilte er der Opposition via TV-Interview mit, dass sie nicht auf eine schnelle Einführung der ersehnten Finanztransaktionssteuer hoffen dürfe. Nach einem Entrüstungssturm von SPD und Grünen zeigte sich der Finanzminister gestern dann konzilianter: "Die Opposition kann sich auf die Zusagen der Koalition verlassen." Er wolle die Abgabe so schnell wie möglich durchsetzen, versprach Schäuble.

Eigentlich hat der Finanzminister nur zwei Selbstverständlichkeiten wiederholt: Die Regierung möchte die Abgabe auf Börsengeschäfte einführen - so wie es Koalition und Opposition bei ihren Verhandlungen zum Fiskalpakt vereinbart hatten. Da die Steuer aber auf EU-Ebene beschlossen werden muss, wird es dauern - und vor der Bundestagswahl nichts mehr werden.

Trotzdem liefern sich Koalition und Opposition nun wieder einen heftigen Schlagabtausch, was vor allem eines deutlich macht: Bei ihren Verhandlungen zum europäischen Fiskalpakt geht es weniger um handfeste Sachentscheidungen. Die werden ohnehin beim kommenden EU-Gipfel in Brüssel getroffen. Doch SPD und Grüne wollen dem Fiskalpakt, der den Europäern strenge Schuldenregeln auferlegt, und dem dauerhaften Euro-Hilfsfonds ESM nicht einfach so zustimmen. Das haben sie bei den Rettungsaktionen von Angela Merkel (CDU) in den vergangenen zwei Jahren häufig gemacht. Und dieses Mal können sie tatsächlich mitbestimmen, denn Fiskalpakt und ESM müssen in Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden.

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In der SPD gilt das Plazet der Koalition zur Finanztransaktionssteuer als "Trophäe", die man sich als Gegenleistung zum Fiskalpakt schnell sichern will. Am vergangenen Donnerstag sah es so aus, als sei das gelungen. Im Finanzministerium konnte sich eine Arbeitsgruppe aus Abgeordneten der Koalition und der Opposition auf ein Konzept einigen. Es sieht vor, die Abgabe notfalls auch mit wenigen Mitstreitern einzuführen. Das war vor allem ein Zugeständnis der FDP, die zuvor die Teilnahme aller 27 EU-Staaten zur Bedingung gemacht hatte.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach von einer schwarz-gelben "180-Grad-Wende". In die Verliererecke wollten sich die Liberalen aber nicht drängen lassen. Sie verwiesen auf das Kleingedruckte der Einigung. FDP-Verhandlungsführer Volker Wissing hatte neue Bedingungen in das Dokument setzen lassen: Bei der Ausgestaltung der Steuer sollten Belastungen für Kleinanleger, Riester-Sparer und Unternehmen vermieden werden. Auch eine Verlagerung von Frankfurt an andere Finanzplätze darf es nicht geben. Diese Bedingungen einzuhalten dürfte aber unmöglich sein. Wissing selbst sagt dazu: "Mir fällt spontan nicht ein, wie das funktionieren kann." Dann werde die Steuer wohl nicht kommen, heißt es in der FDP.

Sozialdemokraten und Grüne taten diesen Dreh zunächst als Versuch der Liberalen ab, ihr Einknicken zu kaschieren. Doch dann wurden Aussagen von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla publik. Er soll in kleiner Runde gesagt haben, man könne der SPD bei der Finanzmarktsteuer ruhig entgegenkommen, denn in dieser Legislaturperiode werde man sie sowieso nicht umsetzen. Als Schäuble das dann noch öffentlich wiederholte, war bei der Opposition die Schmerzgrenze überschritten. Nun standen SPD und Grüne plötzlich in der Öffentlichkeit als Verlierer da, die sich von der Koalition einen faulen Kompromiss hatten aufschwatzen lassen.

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Über Ungeschick und "Idiotie" beschwerte man sich bei der SPD. Das Klima ist vergiftet. Keine gute Voraussetzung für die sogenannte Sherpa-Runde, die gestern Abend im Kanzleramt tagte. Pofalla wollte dort mit Abgesandten der Fraktionen Kompromisse vorbereiten. Die sollen dann morgen von der Kanzlerin und den Partei- und Fraktionschefs finalisiert werden.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sagte intern, letztlich erweise der Kanzleramtsminister der Koalition einen Bärendienst. "Wir werden uns alle Zugeständnisse nun noch genauer schriftlich geben lassen", hieß es in SPD-Fraktionskreisen. Und die Grünen drohen, dem Fiskalpakt gar nicht mehr vor der Sommerpause zustimmen zu wollen. Es half es auch nicht, dass CSU-Chef Horst Seehofer der Opposition zur Seite sprang. Bayerns Ministerpräsident versicherte, er werde sich dafür einsetzen, dass die Finanztransaktionssteuer "so schnell wie möglich mit so vielen wie möglich" komme. Und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wies die Liberalen in die Schranken, die weiter auf die kaum zu erfüllenden Bedingungen für die Finanzmarktsteuer pochen: "Jetzt kommentiert noch einmal jeder, aber das ist nur Begleitprogramm. Gehen Sie davon aus, dass die FDP die Vereinbarung mit uns umsetzen wird." Auf Versprechen wollen sich SPD und Grüne aber nicht mehr verlassen. Sie erwarten nun einen Kabinettsbeschluss, in dem das Ansinnen einer Finanzmarktsteuer fixiert werden soll. Das könne man gerne machen, antwortete Schäuble prompt. Doch so schnell will sich die Opposition nicht beruhigen lassen. Bei dem Spitzentreffen morgen mit der Kanzlerin werde es keine Einigung geben, heißt es in der SPD. Sowohl die "Causa Pofalla" als auch die koalitionsinternen Widerstände verhinderten einen solchen Durchbruch. Nach dem EU-Gipfel werde eine weitere Runde erforderlich sein.