Kurz nach einer Grundsatzeinigung zur Transaktionssteuer will die Regierung offenbar nichts mehr von einer raschen Einführung wissen.

Berlin. Die Opposition ist hell empört: Nur wenige Tage nach einer Grundsatzeinigung zur Finanztransaktionssteuer will die schwarz-gelbe Koalition offenbar nichts mehr von einer raschen Einführung wissen. Daher drohten SPD und Grüne am Sonntag mit einer Blockade des Fiskalpaktes. Schwarz-Gelb ist hier wegen der notwendigen Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Die CSU versuchte, im neu entfachten Streit zu vermitteln.

+++ Friede, Freude, Fiskalpakt? +++

Ursprünglich sollte der Fiskalpakt, mit dem sich Europa strengere Regeln zur Haushaltsdisziplin verordnen will, spätestens am 6. Juli von der Länderkammer endgültig bestätigt werden. Doch kommt dieser Fahrplan offensichtlich ins Rutschen. Der Grund ist die von SPD und Grünen geforderte Finanztransaktionssteuer. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble machte am Sonntag deutlich, dass es in dieser Legislaturperiode wohl keine solche Steuer mehr geben werde.

Hinzu kommen anhaltende Zweifel der Liberalen. Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) warnte am Sonntag wieder vor der Einführung einer Finanztransaktionssteuer. „Ich kann meiner Partei und der Bundesregierung nur raten, sich von SPD und Grünen nicht in einen schädlichen Kuhhandel bei der Umsetzung des dringend benötigten Fiskalpaktes hineintreiben zu lassen“, sagte er in München.

Wirbel um Pofalla-Äußerung

Union und SPD hatten sich noch am Samstag verhalten optimistisch gezeigt, dass der Fahrplan zum Fiskalpakt eingehalten und damit noch vor der parlamentarischen Sommerpause ein Signal an Europa gesendet werden kann. Dann berichtete am Sonntag das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vorab, die Koalition setze offenbar auf Scheitern der Finanztransaktionssteuer und zitierte dazu Kanzleramtschef Ronald Pofalla aus kleiner Runde.

SPD und Grüne reagierten umgehend und warnten die schwarz-gelbe Koalition vor einem Scheitern der Fiskalpakt-Verhandlungen. Sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin bekräftigten am Sonntag die Oppositionsforderung, mit einer Finanzmarktsteuer die Verursacher der Finanzkrise an der Finanzierung von Wachstumsprogrammen zu beteiligen.

SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, verlangte ein „unumkehrbares Bekenntnis zur Einführung der Finanztransaktionssteuer“ und stellte klar: „Formelkompromisse wird es mit der SPD nicht geben.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, fügte hinzu, Pofalla betreibe ein gefährliches Spiel, wenn er die Opposition bei der Finanztransaktionssteuer austricksen wolle.

Schäuble gießt Öl ins Feuer

Schäuble bezweifelt derweil, dass eine Finanztransaktionssteuer noch in der laufenden Legislaturperiode eingeführt werden kann. „Eine europäische Steuer wird nicht so schnell zustande kommen“, sagte der Minister im ARD-„Bericht aus Berlin“. Zugleich forderte er SPD und Grüne auf, dennoch dem Fiskalpakt im Bundestag zuzustimmen. Es wäre völlig unverantwortlich, den Fiskalvertrag nicht zu ratifizieren.

Ferner verwahrte sich der Bundesfinanzminister gegen die Forderung einzelner SPD-regierter Bundesländer, der Bund müsse die aus dem Pakt resultierenden Kosten, etwa bei Strafzahlungen, komplett übernehmen. Man könnte an anderer Stelle über die finanzielle Ausstattung reden, „aber das ist nicht die Gelegenheit dazu“, sagte er. Die Bundesländer müssten darauf achten, „dass sie sich nicht dem Verdacht aussetzen, sie würden eine günstige Gelegenheit suchen“.

Die SPD wolle erreichen, dass der Bund mögliche Strafzahlungen bei Nichteinhaltung des Fiskalpakts vollständig übernimmt, berichtete die in Potsdam erscheinende „Märkische Allgemeine Zeitung“. Dies solle sich vor allem auf den Zeitraum bis 2020 beziehen, da der Fiskalpakt über die Vorschriften der deutschen Schuldenbremse hinausgehe.

Bayern legt neue Kompromisslinie vor

Jetzt will Bayern wenige Tage vor dem Spitzengespräch im Kanzleramt die festgefahrene Situation wieder auflösen. Notfalls sollte Deutschland bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer eine Vorreiterrolle übernehmen, sagte Finanzminister Markus Söder (CSU) dem „Handelsblatt“ (Montagausgabe) laut Vorabbericht. „Eine der größten Volkswirtschaften der Welt sollte in solchen Fragen durchaus eine Lead-Funktion übernehmen“, sagte er. Der Langsamste im Geleitzug dürfe nicht das Tempo bestimmen. Für Söder hat die Finanztransaktionssteuer vor allem eine hohe symbolische Bedeutung. Sollte sie scheitern, wäre das auch eine Kapitulation der Politik gegenüber den Finanzmärkten.

Für SPD-Chef Gabriel ist eine begrenzte Einführung der Steuer ein gangbarer Weg. „Wir wissen, dass wir die Niederländer gewinnen können“, sagte er der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Montagausgabe). Außerdem könnten Frankreich, Österreich, Spanien, Belgien, Finnland, Portugal und Italien mitziehen. Die nach europäischen Verträgen nötigen mindestens neun Länder ließen sich also durchaus finden.

(dapd)